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Skorpione im eigenen Saft

Skorpione im eigenen Saft

Titel: Skorpione im eigenen Saft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juan Bas
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hervorgezerrt haben – ein schöner Pleonasmus. Gold, Weihrauch und Myrrhe, ersetzt durch den Dung vom Esel des Opfers.
    Dem galizischen Holzkopf fällt zu dem Onkel, der kleine Mädchen befummelt, anscheinend nichts ein; möglich, dass die Schilderung der engelhaften Irati sein Vorstellungsvermögen übersteigt. Allerdings legt er, angeregt von dem flotten Rhythmus dieser nervtötenden Weihnachtsrumba, den Arm auf die Rückenlehne des Beifahrersitzes und trommelt mit langen, schmutzigen Fingernägeln – seine Hand sieht aus wie die Klaue eines wilden Tiers – auf den Plastikbezug; das halte ich nicht aus.
    »Tschuldigung. Könnten Sie das unterlassen?«
    »Was?«
    »Das … Tapp-Tapp-Tapp mit den Fingern.«
    »Huch, auch noch empfindlich! Entschuldigen Sie bitte … Und das Radio, stört Sie das auch?«
    »Ja, aber weit weniger.«
    »Ich kann es auch gar nicht ausschalten; das geht nur, wenn ich den Motor abstelle. Wenn Sie wollen, tu ich’s.«
    »Nein, nein! Bloß nicht! Ehrlich gesagt, bin ich nicht gerade in Festtagsstimmung …«
    »Ich auch nicht, mein Herr … Ich wäre lieber in einer Bar oder einkaufen, wie diese ganzen Idioten; würde mir zwar auch mächtig auf die Eier gehen, aber anders halt … Alle wie die Lämmer zum Corte Inglés. Und wann hab ich mal Zeit dafür, hä? Ich kann Ihnen sagen, wann: Wenn nur noch der ganze Plunder übrig ist, den die anderen nicht haben wollen; bin mal wieder der Gelackmeierte, wie immer.«
    Gnädigerweise unterbricht der Waldschrat seinen Monolog pseudomenschlicher Logik, um den widerlichen Stummel seines billigen Zigarillos neu anzuzünden. Grauer Rauch, dicht und beißend, der durchaus mit der radioaktiven Wolke von Tschernobyl mithalten könnte, breitet sich in dem verkeimten Inneren des Taxis aus. Ich habe mein Päckchen Benson & Hedges in unserem Lokal, der Weltkarte von Bilbao, liegen lassen, neben dem Computer mit dem Geständnis eines Soziopathen und der Flasche Glenmorangie, in dem Moment, als ich begriff, was sich da Ungeheuerliches zusammenbraute und zum Guggenheim-Museum davongestürzt bin.
    »Entschuldigung, ich habe keine Zigaretten mehr. Haben Sie vielleicht eine für mich oder eine von diesen Farias?«, frage ich mit gut gespielter Unterwürfigkeit.
    »Kommt gar nicht in Frage … Ich hab nur die hier. Und diesen Stummel will ich Ihnen nicht geben, so kurz und zerkaut wie der ist … Aber ehrlich gesagt würde ich Ihnen sowieso keine geben; ich erlaube nicht, dass in meinem Taxi geraucht wird. Ich mache eine Ausnahme, weil der Stau mir auf die Nerven geht …, das gilt natürlich nur für mich, klar.«
    »Sie sind wirklich reizend. Es muss wunderbar sein, auf einem Flug nach New York neben Ihnen zu sitzen.«
    »Sagen Sie das jetzt im Spaß, oder meinen Sie das ernst?«
    »Es bewegt sich was! Los!«
    »Ganz ruhig, Mann, werden Sie bloß nicht nervös, ich kenne meinen Job … Mit mir würden Sie also nicht gerne nach New York fliegen, was?«
    »Natürlich würde ich das, war nur ein Scherz. Mein Gott, nun geben Sie schon Gas!«
    Der Verkehr fließt auf einmal wieder, langsam, aber er fließt.
    Meine Beklemmung lässt um einen Grad nach, aber nicht einmal einen Atemzug später steigt sie gleich um drei. Sirenen sind zu hören, zweifellos Sirenen von Notarztwagen und der Polizei hinter mir, die in Richtung Guggenheim unterwegs sind. Das kann nur bedeuten: dass die reifen Äpfel allmählich vom Baum fallen.

2
     
    IHRE KARTE WURDE EINBEHALTEN
    SPRECHEN SIE MIT IHRER BANK
     
    Alles begann mit diesem Schlag ins Gesicht in einer kalten Januarnacht dieses Jahres 2000, von dem ich nicht weiß, ob ich es überleben werde. Wie hat sich mein Leben und wie habe ich mich doch in dieser kurzen Zeit verändert. Früher war ich ein glücklicher und verantwortungsloser Nichtsnutz, vielleicht ein wenig bescheuert, war aber auf meine Weise zufrieden. Ich wollte nicht für bare Münze nehmen, was ich da auf dem Bildschirm las, besser gesagt, wer mir nichts Bares geben wollte, war der Geldautomat. Ich befand mich im Casino Nervión, meinem zweiten Zuhause. Es hatte Mitternacht geschlagen, ein neuer Tag begann, und ich konnte wieder fünfzigtausend Peseten abheben – mein mickriges Limit –, mit denen ich meine petite Schlappe wiedergutmachen wollte, die ich soeben beim Roulette erlitten hatte. Versehen mit der Finanzspritze und einer maßvollen Hidjra für eine weitere Runde Roulette; und wenn ich das Fräulein Soraya, jene püppchenhafte Croupiére mit dem Hauch

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