Skorpione im eigenen Saft
die den eigentlichen Grund dafür kennen, dass sie seit Jahren nicht miteinander reden. Es hatte nichts, wie viele meinen, mit dem Geschacher um Ava Gardner zu tun.
Der eigentliche Grund, sich gegenseitig zu attackieren, war, dass die alte und eigentliche Kränkung wieder ins Spiel gebracht worden war. Ein neuer Aspekt, der in der Sache von Belang war und von dem sie durch mich am Vorabend ihrer gegenseitigen Tötung erfahren hatten, hatte schließlich zu dem Blutbad geführt.
Woher ich das weiß? Ich erzähle Ihnen die Geschichte später, wenn ich es nicht vergesse.
31
Mit der Zeit verschwand die Depression, und die Erinnerung an Blanca Eresi verblasste.
Ungefähr zur selben Zeit machte sich mein Alkoholkonsum auf andere Weise in meinem Körper bemerkbar, und ich bekam immer häufiger Wutausbrüche, wenn ich betrunken war.
Zum Winterende 1979 hatte ich sowohl das Bedürfnis als auch die Courage, meine drängendste und schwierigste Aufgabe in Angriff zu nehmen: mir Patxi Iramendi vorzuknöpfen, das Schwein Onkel Patxi.
Ich nahm Kontakt zu meiner alten Clique aus Tolosa auf, die, wie es in allen Dörfern und Städten des Baskenlands üblich ist, seit jeher aus fast denselben Leuten bestand. Sie hielten unabänderlich an der Gewohnheit fest, gemeinsam um die Häuser zu ziehen, Allgemeinplätze auszutauschen und persönliche Dinge oder brisante Gesprächsthemen zu meiden, um ihre gemeinschaftlichen Besäufnisse nicht zu gefährden.
Ich fing wieder an, Zeitungen zu lesen und entdeckte, dass Josean Aulkitxo sich in der Zwischenzeit nicht mehr um die harten Jungs von Vasconia kümmerte. Er hatte ein ehrgeizigeres Ziel gehabt und war nun frisch gebackener Trainer seiner früheren Mannschaft Athletic Bilbao.
In meiner alten Clique gab es zwei, die ich im Verdacht hatte, bei der ETA mitzumischen. Ich fragte sie, ob sie mir ein Treffen mit Patxi Iramendi vermitteln könnten. Zuerst reagierten sie zögernd und misstrauisch, doch nach ein paar Wochen überbrachten sie mir mündlich eine Nachricht: Er wollte mich treffen, in der Bar Zelata in Bayonne (ein Ort, den ich nie vergessen werde) um zwölf Uhr mittags am 28. April; am selben Tag tötete ETA in Durango einen Polizisten.
Ich war zu dem Schluss gekommen, dass sich mir direkt in der Höhle des Löwen am ehesten eine Gelegenheit bieten würde, mir Onkel Patxi vorzuknöpfen. Ich würde der Organisation beitreten, egal, um welchen Preis.
Auf der winzigen Terrasse der Bar Zelata, die sich in der Rue Poissonnerie befand, im Herzen von Petit Bayonne, einem Viertel mit mittelalterlichen Gassen, in denen sich Kneipen und Restaurants aneinander reihten, saß ich an einem Tisch und wartete. Um zwanzig nach zwölf traten ein Mann und eine junge Frau zu mir, die mich auf Baskisch aufforderten, mitzukommen.
Nachdem sie mich in einer Tiefgarage in der Nähe des Flusses Adour durchsucht hatten, verlangten sie, dass ich auf den Rücksitz eines Wagens kletterte, verbanden mir die Augen und befahlen mir, mich hinzulegen.
Später stellte ich fest, dass die Fahrt eine Stunde gedauert hatte. Ich merkte, wie sie mehrmals die Richtung wechselten. Unterwegs redeten meine Begleiter nur wenig; sie sprachen Französisch, eine Sprache, die ich damals noch nicht beherrschte.
Die Augenbinde nahmen sie mir im Wohnzimmer eines vollständig möblierten Hauses ab, und obwohl sie mich über Treppen geführt hatten, um mich zu verwirren, merkte ich trotz der geschlossenen Vorhänge, dass wir uns im Erdgeschoss befanden. Mein männlicher Begleiter wies auf einen der Stühle, die um den Esszimmertisch standen. Er blieb neben der Tür stehen und passte auf mich auf. Er zückte eine automatische Pistole, entsicherte sie und steckte sie sich vorn in den Gürtel, um sie griffbereit zu haben.
Wenige Minuten später kam Onkel Patxi herein und setzte sich mir gegenüber hin, ohne mich zu begrüßen. Er war damals siebenundvierzig und der Anführer der geheimen Kommandos. Er war vorzeitig gealtert. Es brachte mich weniger aus der Fassung, endlich dem Hauptverantwortlichen für mein Unheil zu begegnen, als ich erwartet hatte. Wir sprachen baskisch miteinander.
»Was willst du von mir, Neffe?«, fragte er in einem abweisenden Ton, den die vertraute Anrede nicht milderte.
»Ich will etwas für unser Land tun …, wieder mit euch kämpfen.«
Obwohl ich gleich damit herausrückte, verschwand sein misstrauischer Ausdruck nicht. Er schien mich mehr mit seinem Glasauge als mit seinem heilen anzuschauen. Es
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