Skorpionin: Odenwal - Thriller (German Edition)
das Gesicht der Barlow wie versteinert.
Bei der anschließenden Vernehmung zu den gehörten Tatvorwürfen erklärte Anna-Sophia Barlow, nichts aussagen zu wollen, was ihr gutes Recht war.
Die anschließende Beweisaufnahme dauerte bis in den späten Nachmittag, so dass Dr. Brandes gegen 13:00 Uhr eine Pause verkündete. Nach Wiedereintritt in die Verhandlung hielt die Staatsanwältin ihr Plädoyer, in dem sie nochmals die abscheulichen Details von Marks‘ Hinrichtung erläuterte, den Mordversuch an Glimm während eines Festessens als besonders perfide hinstellte und Anna-Sophia Barlow Vorsatz sowie besondere Grausamkeit bescheinigte. Als Strafmaß beantragte sie lebenslänglich mit anschließender Sicherheitsverwahrung.
Während des gesamten Plädoyers unterhielt Glimm sich mit seiner Mandantin, studierte Schriftsätze, blätterte in Büchern und lächelte selbstgefällig, als lamentiere die Anklägerin über die kriminelle Energie eines notorischen Schwarzfahrers.
Als die attraktive Oberstaatsanwältin ihr Plädoyer abschloss, erhob sich Glimm, drückte der Barlow noch einmal freundschaftlich die Schulter und griff nach seinem Krückstock. Er hatte sich von einem Schuhservice in einem Einkaufszentrum eine Metallplatte unter die Gummikappe am Ende der Gehhilfe anbringen lassen, ähnlich denen, die Stepptänzer unter ihren Schuhen hatten. Laut und vernehmlich klackend, die offene Robe dekorativ wehend, hinkte er vor den Richtertisch, nickte dem Vorsitzenden ernst zu und bedachte die Anklägerin mit einem abschätzigen Lächeln.
Safiye Demirel revanchierte sich mit einem aufgesetzt wirkenden Sortieren von Unterlagen.
„Herr Vorsitzender“ (klack). „Frau Oberstaatsanwältin“ (klack), „meine Damen und Herren“ (klack). Glimm blieb stehen.
„Meine Mandantin hat bereits im Vorfeld bei den ermittelnden Behörden ein umfassendes Geständnis abgelegt. Sie ließ sich nach der Tat widerstandslos festnehmen, ja sie rief sogar selbst die Polizei an!“ Er machte eine bedeutsame Pause und blickte in die Runde.
„Anna-Sophia Barlow …“, er drehte sich zur Seite, damit sein deutender rechter Arm die Robe im richtigen Winkel auffaltete, so dass der rote Samt, mit der sie innen gefüttert war, auch wirklich zur Geltung kam, „… hat Gernot Marks nicht getötet, sie hat …“
Erregtes Gemurmel aus dem Zuschauerraum, das Dr. Brandes energisch beendete.
„… sie hat auch mich nicht getötet, wie Sie ja wohl zweifelsfrei feststellen können.“ Wieder Gezischel und Geraune, diesmal jedoch unterhalb der Notwendigkeit, aktiv einschreiten zu müssen.
„Gernot Marks, meine Damen und Herren, war nicht nur ein einschlägig vorbestrafter Pädophiler. Ein Kinderschänder der übelsten Sorte, der sein Opfer, ein zwölfjähriges unschuldiges Mädchen schließlich wissentlich in den Tod getrieben hatte und ein …“
„Einspruch!“, wie eine Kobra zuckte der Kopf der Staatsanwältin aus ihren Akten hervor, „das Vorleben des Opfers ist nicht relevant für den Prozess!“
„Stattgegeben, Herr Verteidiger, kommen Sie bitte zur Sache“, knarrte Dr. Brandes.
Klack … klack … klack … klack …klack. Den Kopf gesenkt, die Augen halb geschlossen, schritt Glimm zur anderen Seite des Raumes. Millisekunden vor dem Ordnungsruf des Vorsitzenden, er hörte bereits, wie dieser Luft holte, wandte sich Glimm um (klack) und hob den rechten Arm. Wieder klaffte die Robe weit auf, allerdings nur einseitig, was Glimm als eklatanten Nachteil des Krückstocks registrierte. Spötter nannten ihn schon mal den Corcovado-Anwalt, weil er gerne die Pose jener monumentalen Christusstatue hoch über Rio einnahm.
Sei’s drum. Die Long-John-Silver-Attitüde des Edelholzprügels machte dieses Manko zweimal wieder wett.
„Entschuldigung, Herr Vorsitzender. Der Satz war lediglich als Einleitung zu verstehen. Relevant für den Prozess ist jedoch zweifellos die Tatsache, dass es Gernot Marks war, der vor siebzehn Jahren einen gewissen Steve Barlow, Ehemann von Anna-Sophia Barlow und Vater ihrer gemeinsamen Tochter Caprice, auf hinterhältige und grausame Weise ermordet hat. Steve Barlow verbrannte bei lebendigem Leibe in seinem Auto, das aufgrund von vorsätzlich herbeigeführter Eisglätte von der Straße abkam und in einen zweihundert Meter tiefen Abgrund stürzte. Das Feuer wurde vom Mörder selbst entzündet, nachdem er festgestellt hatte, dass sein Opfer den Absturz überlebt hatte. Diese Tat wurde erst durch das Geständnis von Herrn
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