Skulduggery Pleasant 6 - Passage der Totenbeschwörer
Vile gar nicht zurückgekommen - vielleicht trägt nur jemand seine Rüstung und bedient sich seiner Magie und tut so, als sei er Vile.«
»Das glaube ich nicht«, widersprach Skulduggery. »Er hat mit mir geredet. Er war es. Es ist zwar nicht möglich ... aber er war es.«
Sie steckte den Ring wieder an ihren Finger. »Bist du seitdem noch einmal auf eine Spur von ihm gestoßen?« Er drehte ihr leicht den Kopf zu. »Woher weißt du, dass ich danach gesucht habe?«
»Kleinigkeiten«, antwortete sie. »Du hast dich mehr als sonst für seltsame kleine Verbrechen interessiert, die keinen Sinn ergaben, du hast eine bestimmte Art von Fragen gestellt, die mit den Fällen, an denen wir gerade gearbeitet haben, nicht wirklich etwas zu tun hatten ... Du versuchst, jemanden zu finden.«
»Da schau an«, meinte Skulduggery. »Welcher oberschlaue Lehrer hat dich zur Detektivin ausgebildet? Oh, stimmt ja, das war ich.«
Walküre lachte. »Und? Irgendwelche Spuren?«
»Keine«, antwortete er. »Er hat Tesseract umgebracht, ich habe ihm eine verpasst, er hat sich in Schatten aufgelöst und seitdem hat ihn niemand mehr gesehen.« »Vielleicht ist er tot?«, vermutete sie hoffnungsvoll.
»So hart ist meine Faust jetzt auch wieder nicht.«
Sie zuckte mit den Schultern. »Vielleicht ist es sein Geist.«
»Das habe ich mir auch schon überlegt.«
»Wie? Im Ernst?«
»Ja. Was haben wir denn? Eine Rüstung, die nur so strotzt vor Macht. Es braucht doch nichts weiter als den Willen, aufzustehen und herumzumarschieren. Es braucht nichts weiter als den festen Willen dazu.«
»Du glaubst also, Viles Geist hat seine alte Rüstung gefunden und lebt jetzt darin?«
»Das wäre eine mögliche Erklärung. Sein Geist oder ... Ich weiß auch nicht.«
»Dann wäre in der Rüstung also ... nichts?« Skulduggery zögerte mit der Antwort. »Es ist eine Theorie. Eine von vielen. Aber im Moment ist es die Einzige, die passt.«
»Und was wollte Vile dann im Sanktuarium?«
»Unser geliebter ehemaliger Großmagier Guild ließ die Rüstung in Kisten verstauen, die dann nach Roarhaven geschafft wurden. Mein Kampf mit Tesseract muss dem irgendwie in die Quere gekommen sein oder ...«
Er schwieg und sie blickte ihn stirnrunzelnd an. »Gibt es etwas zu Vile oder zu dem, was er zu dir gesagt hat, oder ... Gibt es etwas, das du mir verheimlichst?«
Jetzt lachte Skulduggery. »Oh, Walküre, meine loyale und zuverlässige Komplizin im Kampf. Natürlich gibt es etwas, das ich dir verheimliche.«
Walküre stand in Skulduggerys Hutzimmer und betrachtete ihre Hand. Sie zitterte nicht. Sie drehte sie um, runzelte die Stirn, versuchte, ein verborgenes Zittern zu erkennen. Nichts. Sie wusste, dass es nicht mit rechten Dingen zugehen konnte. Sie war angegriffen und fast umgebracht worden, hatte Schmerzen und Todesqualen ertragen, die die meisten Menschen nie aushalten würden, und dennoch schien sie keinerlei psychische Nebenwirkungen davongetragen zu haben.
Sie erinnerte sich noch lebhaft an den Angriff. Er hatte sich in ihr Gedächtnis eingebrannt. Soweit sie es beurteilen konnte, verdrängte sie nichts. Sie war nicht benommen. Sie war nicht traumatisiert. Was stimmte dann nicht mit ihr? Warum hatte sie keinen Schock? Aber vielleicht war das ja der Schock. Nein, sie hatte schon öfter einen Schock gehabt, sie kannte die Anzeichen. Was sie gerade empfand, war ... Normalität.
Ihr Körper war in der Nacht zuvor fast in Fetzen gerissen worden, doch jetzt war wieder alles in Ordnung mit ihr. Es war, als sei etwas Kühles in ihrer Mitte, das die Panik in Schach hielt und sie vorsichtig am Horror vorbeiführte. Fast konnte sie die Stimme in ihrem Kopf hören.
Ruhig, sagte sie. Bleib ganz ruhig. Du lebst noch, nicht wahr?
Sie drehte sich zu dem mannshohen Spiegel um, den Skulduggery im Zimmer aufgestellt hatte, damit er die Wirkung eines Hutes bezogen auf seine Gesamterscheinung prüfen konnte. Wahnsinnig eitel und narzisstisch, aber auf eine liebenswerte Art. Walküre hob ihr T-Shirt und strich mit dem Finger über ihre Seite. Du lebst noch. Sie beugte sich vor und betrachtete ihr Gesicht. »Die Narben sind fast nicht mehr zu sehen«, stellte sie laut fest.
»Gut«, bemerkte Skulduggery aus dem Nebenzimmer.
So viele Hüte gab es hier. Sie nahm einen, einen schwarzen, und probierte ihn auf. Er stand ihr ziemlich gut, das musste sie zugeben. Besonders gut fand sie, dass er auf einer Seite tief in die Stirn hing. Das sah verwegen aus. Ruhig. Sie hängte den
Weitere Kostenlose Bücher