SLAM (German Edition)
entfuhr es Karim.
» Frauen sind menschliche Wesen, mein Freund, und sie sind nicht nur einfach andere Männer, ihnen wohnt ein besonderes Wunder inne. Sie gebären Kinder.«
BEYs Worte sickerten in Karims Kopf und füllten sein Denken aus. Der Schleier aus Z weifeln hob sich und mit einem Mal sah er klar. Mit weit aufgerissenen Augen starrte er vorbei an BEY zu dem Wesen, der Frau, die immer noch mit ihm zugedrehten Rücken in einer Ecke des Cafés saß, reglos, abwartend. Frauen waren also die Antwort auf die Frage, woher die Söhne stammten, die ihnen der Allmächtige sandte! Frauen waren die vergessenen Seelen, deren Erbe sich in ihm be merkbar gemacht , ihm diese verstörenden Träume geschickt und ihn auf die abenteuerliche Suche nach ihre n Hinterlassenschaften angesetzt hatte.
» Du musst wissen, Karim, dass die Fortpflanzung eine heikle Angelegenheit ist «, murmelte BEY und warf einen kurzen Blick hinter sich , ehe er weitersprach: » Fortpflanzung unterl iegt strengen Gesetzmäßigkeiten. D er Kuchen sucht sich den Bäcker sozusagen. Und nicht allein das, er will über das Rezept bestimmen! Nur einmal im Monat sind Frauen empfängnisbereit, dann, und nur dann können sie ein Kind empfangen von einem Mann, den sie auswählen. Siehst du den Konflikt, der darin liegt? Wo kommen wir hin, wenn der Kuchen den Bäcker , der ihn herstellt , und sein eigenes Rezept auswählen darf? Frauen wähl en den Erzeuger ihrer Nachkommen nach vollkommen anderen Kriterien aus als die, die deine Vorväter für angebracht hielten. Eigenschaften wie Verantwortungsbewusstsein, Verlässlichkeit, wirtschaftliche Unabhängigkeit , ja, sogar lächerliche Äußerlichkeiten, doch vor allem Liebe spielten eine große Rolle bei ihrer Auswahl. Das war eine Eigenmächtigkeit, die ihnen nicht gestattet werden konnte .«
Karim keuchte. Vor seinem inneren Auge erschienen Frauen, die sich ihre Partner wie auf einem Markt auswählten, die ihnen in die Wangen kniffen und die Lippen hilflos angebundener Männ er hochzogen, wie es beim H andel üblich w ar, um die Qualität zu überprüfen.
» Es gab in d ieser Zeit Gewinner und Verlierer dieser Auswahl. Manch ein Mann konnte sich niemals fortpflanzen , so wie es heute auch noch ist. N ur trifft diese Entscheidung heutzutage nicht eine Frau, sondern jemand, der viel viel weiser ist. Früher hingegen führte die Auswahl der Frauen zu ei nem schrecklichen Kampf unter den Männern. Sie buhlten um ihre Gunst , übertrafen sich gegenseitig mit ihren Leistungen. Viele der Errungenschaften, die uns heute noch gute Dienste leisten, sind aus diesem Konkurrenzkampf entstanden « .
» Aber waren die Männer damals nicht willenlose Opfer dieser unbarmherzige n Auswahl?«, drängte Karim.
» Nein, Opfer waren sie nie. Sie wollten den Frauen gefallen, sich als bester Erzeuger ihrer Kinder präsentieren, selbst wenn sie noch gar nicht an Familie und Kinder dachten. D urch ihre Leistungen wollten sie auf sich aufmerksam machen, denn das Zusammenleben mit einer Frau hat neben dem Akt der Befruchtung durchaus seine angenehmen Seiten .« Ein Schmunzeln schlich sich auf das blasse Gesicht von BEY , und Karim dachte sof ort an die Bilder der sich windenden Leiber, auf die er so heftig reagiert hatte. Es hatte sich nicht falsch angefühlt und es war offensichtlich auch nicht falsch gewesen , wie er zu begreifen begann.
» Stell dir einf ach vor, du müsstest, um die Zuneigung von Soli zu erlangen, besonders reich sein, etwas erfinden oder etwas anderes Außergewöhnliches beweisen, damit du seiner würdig bist. So ähnlich hat es sich damals abgespielt. Der Kuchen suchte sich den Bäcker und ein Mitspracherecht beim Rezept. Ein unhaltbarer Zustand für deine Vorfahren . Daher beschlossen sie , die Situation von Grund auf zu ändern. Sie beschlossen, dass zukünftig wieder der Bäcker entscheidet, nach welchem Rezept der Kuchen gebacken wird . Sie nahmen den Frauen die Entscheidung ab. Und hier kommt die Religion ins Spiel .«
» Aber wie kommst du darauf ?«, fragte Karim. »I m Koran st eht kein Wort von Frauen, nicht ein einziges. BEY, glaub mir, ich kenne das heilige Buch in- und auswendig! Wenn der Prophet, Friede sei mit ihm, etwas daz u gesagt hätte, stünde das … « Als ihm die Bedeutung dessen, was er soeben unbewusst mit seinen Worten ausgesprochen hatte , klar wurde, erfasste ihn ein Schwindel. Das Buch der Bücher, das Fundament von allem, was er kannte , war verändert worden?
BEY blickte ihn
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