SLAM (German Edition)
komplex für das Diesseits. Doch offengestanden habe ich persönlich inzwischen sowohl von den Menschen als auch vom Paradies die Nase gestrichen voll. Wir beide brauchen das Paradies nicht, Karim, weil wir uns selbst eines erschaffen werden. Darum werden wir beide die Menschen in ihr eigenes schicken und dann gemeinsam als gottgleiche Wesen über einer paradiesisch friedlichen Erde schweben. «
Es gelang Karim nicht, auch nur ein Wort herauszubringen. Wie zu Eis gefroren stand er vor ihr und starrte sie mit offenem Mund an. Sie war verrückt! Ein vollkommen durchgedrehtes Etwas mit der Macht eines Gottes. Die Einsamkeit und i hre Allmacht hatten ihr Denken entstellt , pervertiert, ihr jegliches Mitgefühl und allen Sinn für Gut und Böse genommen.
Bevor er ihr das entgegenschreien konnte, hörte er sie sagen: » Die Welt, wie Allah sie geschaffen hat, ist leider nicht perfekt. E r hat das erkannt und darum mich gemacht. Ich bin seine Korrektur, sein helfender Plan. Seine mütterliche Hand, die das Endziel vollendet. « Wie ein unbedarftes Kind sah sie zu ihm auf.
Seine Gedanken drehten sich wild im Kreis. Sie meinte wirklich, was sie da sagte. Für sie war die Auslöschung der Menschheit gleichbedeutend mit de ren Heilung. Und ihn wollte sie dabei an ihrer Seite haben. BEY hatte es ihm gesagt. Hayat hatte es ihm gesagt. Und nun sie selbst: Sie liebte ihn. Wenn es eine Chance gab, sie aufzuhal ten, dann musste er sie nutzen.
Er nahm ihre Hände von seinem Hals und schüttelte langsam den Kopf . » So nicht, Eva. So geht das nicht. Ich fürchte, dass ich deinen Plan nicht unterstützen kann. Zum einen hast du das Wesen der Liebe nicht durchschaut. Liebe findet weder im luftleeren Raum statt noch entsteht sie in einer Schi märenwelt, in der ein Geist einen anderen Geist auf eine geisterhafte Art liebt. Liebe ist etwas fundamental Reales. Sie benötigt gemeinsame reale Erlebnisse, Glück und Unglück, nährt sich von dem, was zusammenschweißt. Sie ist körperlich und seelisch zugleich, sie verlangt Begehren, Aufopferung, aber vor allem Gemeinsamkeit. Ein gemeinsames Ziel, gemeinsame Wünsche u nd Träume, den Willen, zusammen eins zu sein. Liebe lebt von der Existenz der realen Liebenden. Aber du, du existierst nicht wirklich. Du bist nur ein Gedanke, geboren unter vielen Gedanken des menschlichen Seins. Selbst dein Körper ist ein Gedanke, gedacht in einem männlichen Hirn. Einerlei, was du mir vorgaukeln wirst , ich werde mir immer bewusst sein, wer du bist , was du bist. Und zum anderen bist du trotz deiner exorbitanten Macht auch kein Gott. Du bist nicht allahgleich. Nicht Allah hat dich geschaffen, sondern Menschenhände. Deshalb bist du fehlbar wie ein Mensch. Aber selbst wenn das alles bedeutungslos wäre, selbst wenn ich mich von dir und deinen paradiesischen Aussichten blenden ließe, gibt es da noch eine Sache, die eine Liebe zwischen uns unmöglich macht: Ich liebe eine andere Frau. Eine Frau aus Fleisch und Blut, eingeschränkt in ihren Möglichkeiten und sicherlich mit Unmengen an Fehlern behaftet. So wie ich. Diese Frau ist Hayat. «
Das Püppchenlächeln verblasste. Eine Träne wie aus flüssigem Silber löste sich aus einem ihrer Augenwinkel und rann über die runde Wange. Sie senkte die Lider, blickte auf ihre Hände, dann auf Karims, die sie noch immer festhielten. Als sie auf sah, lag Schwermut wie Blei auf ihren Zügen. Ihre Lippen bebten, als sie sagte: »Liebster , ich kann dich zu einem Gott machen und dich mit allen Lüsten und Reichtümern des Uni versums beschenken, wenn du nur … wenn du nur … «
Sie tat Karim leid. Obw ohl sie nur ein künstliches Wesen ohne Herz und Seele war , schien sie tatsächlich zu tief st e n Gefühle n fähig. Er versuchte zu lächeln und strich ihr die p orzellan gleiche, silberne Träne aus dem Gesicht . » Vergib mir, Eva, aber ich werde nicht die Fehler wiederholen, die BEY gemacht hat. «
Plötzlich, wie aus dem Nichts schlangen sich mas sive Eisenketten um seinen Leib! Erschrocken sah er an sich herab. R ostige Glieder, so dick wie geballte Männerfäuste, wuchsen hinter seinem Rücken, glitten schürfend an seiner Haut entlang, fesselten ihn von Kopf bis Fuß. Sie überkreuzten sich in einem tellergroßen altmodischen Schloss vor seiner Brust.
Die Traurigkeit in Evas Augen war mit einem Schlag verschwunden. Alles, was ihnen noch inne wohnte, war jetzt abgrundtiefer Hass. Voller Verachtung blitzten sie auf, als sich ihre Lippen, dünn und
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