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Slant

Slant

Titel: Slant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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dass er stolz auf sie ist, aber sie weiß, dass das angesichts ihrer Vorgeschichte unwahrscheinlich ist.
    »Ich bin Asche«, sagt Alice leise.
    »Du brauchst kein Mitgefühl – und meins schon gar nicht«, sagt Tim.
    »Das ist wahr. Ich habe zu viele Handicaps. Wenn der Markt sich wieder Heim und Familie zuwendet, was wird dann mit all den Sukkuben geschehen?«
    Tim lacht, bis er beinahe heult. Er schüttelt den Kopf und reibt sich die Augen. Alice sitzt völlig ruhig da. Es gefällt ihr, dass er ihren Intellekt so sehr schätzt, aber sie ist sich gar nicht sicher, ob ihre Äußerungen besonders intellektuell waren.
    »Ich glaube nicht, dass wir in nächster Zeit nur noch Heim und Familie machen werden. Nicht solange Jake noch etwas zu sagen hat. Außerdem wachsen ständig männliche Teenager nach. Schließlich bist du bahnbrechend gewesen, nicht wahr?«
    »Das ist meine Art«, sagt Alice.
    »Ich bin überzeugt, dass es dir gefallen hat.«
    »Ich bin überzeugt, dass du es missbilligst.«
    Nach diesem treffsicheren Vergeltungsschlag lehnt sich Tim zurück. »Ich war niemals der Überzeugung, dass eine Frau den Erwartungen irgendeines Mannes gerecht werden sollte.«
    »Das habe ich niemals versucht«, sagt sie.
    »Richtig.«
    »Aber mir gelingt nicht alles, was ich mir vornehme«, sagt sie. »Ich habe ein paar schwere Fehler begangen.«
    Tim wirkt gekränkt. »Sag so etwas nicht, Alice, nicht zu mir.«
    »Warum?«
    »Seitdem du… mein Leben ruiniert hast«, erklärt er mit gespielter Ironie, »hast du in meinen Gedanken einen Ehrenplatz als ultimativer Freigeist innegehabt. Du bist an niemanden gebunden und niemandem etwas schuldig.«
    »Und sehr lange Zeit gab es niemandem, dem ich wirklich etwas bedeutete«, fügt Alice hinzu.
    »Es würde mich viel schlimmer schmerzen, wenn ich mir vorstelle, dass deine Art der Freiheit nicht funktioniert«, sagt Tim. »Weil du dich anders hättest entscheiden können.«
    Alice blickt auf ihre Hände, die sie im Schoß ineinander verknotet hat.
    »Waren all die Schmerzen überflüssig und sinnlos?«, fragt Tim.
    Alice zwingt sich dazu, ihre Hände zu entspannen und sie mit gespreizten Fingern auf die Knie zu legen. »Ich musste mich verändern.«
    »Das passiert jedem von uns.«
    »Ich habe an dich gedacht.«
    Tim hebt die Augenbrauen. »Was hast du gedacht?«
    »Ich habe mich gefragt, wie es dir geht. Mit wem du zusammen warst und wie du behandelt wurdest.«
    »Nach dir kamen vier Frauen«, sagt Tim. »Mit jeder war es anders. Und bei dir?«
    Da ist es wieder, auch in seiner Nähe; das Brennen ist zurückgekehrt. Sie runzelt die Stirn und versucht etwas zu sagen, aber es gibt keine gute Antwort auf seine Frage. Eine Statistik sagt nichts über ihr Leben aus. Hunderte oder eintausend, die meisten professionell, fünfundzwanzig oder dreißig Beziehungen, aber keine davon kam auch nur annähernd an das heran, was sie mit Tim erlebt und zerstört hat. Keine davon gab ihr ein solches Gefühl der Zusammengehörigkeit – oder der Unzulänglichkeit.
    »Viele, vermute ich«, sagt Tim lässig. »Abwechslungsreich.«
    »Männer«, erwidert sie lachend.
    »Alice und die Männer«, sagt Tim, ohne zu lachen. »Alice und die Männer und die Frauen und was es sonst noch gibt.«
    »Wir beide haben niemanden, der uns etwas bedeutet«, sagt Alice. »Wir haben auf unterschiedlichen Wegen dasselbe Ziel erreicht.« Sie will nicht, dass er sämtliche Punkte auf seinem Konto gutschreiben kann.
    »Dasselbe Ziel«, stimmt Tim zu.
    »Du hast mir Angst gemacht. Du tust es immer noch.«
    »Das ist nicht gut«, erwidert Tim.
    »Du warst – du bist – der einzige Mann, bei dem ich mir jemals überlegt habe, wie es wäre, ein solides, ordentliches Leben zu führen. Mit dir. Als Team zusammenzuarbeiten und sich treu zu sein. Alles zu teilen. Kinder großzuziehen. Als Team. Der Einzige.«
    »Mein Typ kann so selten nicht sein«, sagt Tim.
    »Nein. Aber für mich. Ich war immer sehr wählerisch… ob du’s glaubst oder nicht.«
    »Weine nicht«, sagt Tim mit heiserer, wehmütiger Stimme.
    »Ich weine nicht.« Aber sie weint doch. Tränen kullern ihr über die Wangen. »Es war eine harte Woche für mich. Verzeih mir.«
    »Du bist eine harte Frau.«
    »Ich lasse nach. Das Schicksal oder was auch immer scheint gewillt zu sein, mir zu zeigen, wie dumm ich gewesen bin. Wie eigensinnig.«
    »Was meinst du damit?«, fragt er.
    Das sieht Tim ähnlich; die Skandalnachrichten interessieren ihn überhaupt nicht. Sie

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