Slant
Roddys Kreativität und sein Pflichtbewusstein für ihre Zwecke arbeiten lässt.
Müßig schaltet ein kleiner Teil von Jill zwischen verschiedenen Kameraansichten hin und her. Sie sieht Räume in Omphalos, die mit ungeöffneten Möbelkisten gefüllt sind; ein gesamtes Stockwerk, das als Klinik etikettiert ist, doch es ist nicht einmal ein Drittel der nötigen Einrichtung vorhanden, nur die kostengünstigsten Systeme; Gänge, die sich zwischen kleinen Zweizimmerapartments hindurchwinden, insgesamt mehrere Hundert, allesamt leer; einen einzigen Raum, der hübsch eingerichtet ist, an dessen Wänden hochaufgelöste Bilder der Zukunft leuchten, von einer gesäuberten Welt: ein unbewohntes Modell, um Investoren zu beeindrucken.
Jill schaltet sich mit zunehmender Langeweile weiter, während sie genau weiß, dass sie keinen Zugang zu den interessanten Bereichen hat, die für Roddy von Bedeutung sind.
Roddy, der durch einen sauberen Schnitt eine vielversprechende Zukunft verloren hat, die Möglichkeit, zu einem wahren Denker zu werden, unabhängig, aber mit einem Gewissen, und der in der Lage ist, sich in die größere menschliche Gesellschaft einzufügen…
Jill verweilt bei der Ansicht eines großen Gartens, ein drei Stockwerke hoher Hohlraum, in dem üppige tropische Pflanzen wuchern. Er liegt auf dem Bodenniveau, tief im Innern von Omphalos. Roddy hat den Garten vor den Eindringlingen geschützt und zwei der drei Sicherheitsschotten auf dem Stockwerk verriegelt.
Jill sieht eine Frau, die mitten im Garten auf einer Bank sitzt. Ihre Beine sind kurz, ihr Haar ist schwarz und strähnig, ihre Augen sind groß und nachdenklich. Ihre Lippen sind in ständiger Bewegung. Jill kann sie hören – den stetigen Fluss der bedeutungslosen Silben. Sie wirkt verwirrt, blickt sich zur einen, dann zur anderen Seite um.
Sie weiß, dass es Seefa Schnee ist. Entweder hat Roddy seiner Gefangenen unabsichtlich den Zugang zu diesem Bereich ermöglicht, oder Schnee hat ihre gewohnte Umgebung verlassen, ohne dass Roddy bemerkt hat, an welchem Ort sie sich gegenwärtig aufhält.
Jill sucht nach einer Möglichkeit, die Frau anzusprechen, aber all ihre Verbindungen mit dem Gartenbereich sind passiver Natur. Sie kann zur zusehen und zuhören, wie Schnee ununterbrochen die Litanei fragmentierter Worte äußert – zerbrochener, abgebissener Worte, die sie mit scheinbar wütendem Nachdruck artikuliert. Ihre Augen jedoch verraten die Unwichtigkeit dieser Äußerungen, die nicht mehr als ein sinnloses linguistisches Anhängsel sind. Wahrscheinlich nimmt sie diese Litanei überhaupt nicht mehr wahr. Sie macht den Eindruck, dass sie schon seit Jahren völlig allein gelebt hat, nur mit Roddy. Eine sehr seltsame Existenz, denkt Jill: eine Frau mittleren Alters, die sich in einer grandiosen, aber leeren Burg eingeschlossen hat und sich von einem halb schwachsinnigen, böswilligen Sohn umsorgen lässt.
Schnee erhebt sich von der Bank und streckt die Arme. Sie trägt eine schwarze Bluse und fließende, knielange Hosen, die an Pyjamas erinnern. Ihre Hände sind dünn und runzlig und einige Finger zucken krampfhaft. Auch ihre Schultern und ihr Kopf zucken gelegentlich.
Jill wundert sich über ein Geschöpf, das sich wegen gewisser Vorteile selbst krank gemacht hat. Sie überlegt, worin diese Vorteile bestehen könnten: überraschende brillante Erkenntnisse, so unpassend und unerwartet wie ein Fluch während einer gepflegten Unterhaltung, aber sehr nützlich, Ideen, zu denen kein anderer Mensch in der Lage ist…
Wenn sie überlebt, könnte Jill ein Experiment durchführen und ein Ich mit bestimmten pathologischen Mustern isolieren, um zu sehen, ob sie Seefa Schnee verstehen kann.
Schnee entfernt sich von der Bank, geht den mulchbedeckten Weg durch die Farne, Bäume und blühenden Sträucher.
Der Garten ist wieder leer.
Dann ist Roddy zurück und etwas wie eine Schlinge legt sich um Jill, stranguliert ihre Gedanken. Er hat ihren Versuch entdeckt, sich gegen ihn zu verteidigen. Aber er hat ihre Verteidigung noch nicht durchbrochen. Jill ist in dieser Hinsicht sehr stark und geschickt, aber sie spürt deutlich seine konzentrierten Bemühungen.
»Ich kann mich nicht gleichzeitig gegen dich und die Eindringlinge zur Wehr setzen«, sagt Roddy.
Er steht vor ihr, die Füße in einem Haufen Dreck, der ein Stück Strand bedeckt, ein magerer und sehr junger Mann mit gewinnendem Lächeln und strahlend weißen Zähnen. Sein Haar ist auf beinahe komische Weise
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