Slant
hat. Daniels drängt Martin zum Gehen und wendet sich dann Choy zu.
»Ich schätze, das ist auch Ihr Fall«, sagt die Agentin.
Mary nickt mit verhärmtem Gesicht. Sie versucht zu lächeln, kann es aber nicht. Buchstäblich. Ihr ist ein wenig übel, aber sie kann gehen, kann immer noch ihre Pflicht erfüllen. »Vielleicht ist es längst eine persönliche Sache geworden.«
»Scheint so«, sagt Daniels. »Nathan Rashid ist noch nicht hier. Ich werde den Leuten die Anweisung geben, auch ihn hineinzulassen, wenn er noch rechtzeitig eintrifft.«
Die Deputies führen sie durch die frierende, unruhige Menge, die die zerstörte Einfahrt des Gebäudes umringt. Die Tür wurde nach außen aufgedrückt und zerschmolzen. Fetzen aus Metall und Kunststoff sind über den Betonboden verstreut. Torres und Daniels gehen in die Knie, um sich die Stücke anzusehen. Wenig später erheben sie sich und treten zu Burke, der sich wenige Meter vor dem klaffenden Loch in der Wand aufhält.
»Hören Sie das Summen?«, fragt Martin.
»Was?«, fragt Daniels.
»Das Summen. Wie von Bienen.«
Torres zieht eine Taschenlampe hervor und leuchtet mit dem starken Strahl in den Schatten. Er schwenkt ihn ein paarmal hin und her, bis der Lichtkegel einen Schwarm winziger Objekte erfasst, die vor den Löchern schweben. Er senkt den Strahl auf den Schnee, der über die geschwärzte und mit Trümmern übersäte Auffahrt fegt. Dort liegen weitere dieser Objekte reglos am Boden. Schwarz und gelb, von der Kälte gelähmt oder getötet, aber unverkennbar.
»Wespen«, sagt Martin.
Als sie näherkommen, bittet Martin Torres um die Taschenlampe. Er leuchtet in ein größeres Loch im Tor und springt leicht erschrocken zurück. Ein kleiner Schwarm schwarz-gelber Wespen folgt ihm und will ihn kühn attackieren. Doch die Insekten vertragen die kalte Luft nicht, werden bald langsamer und trudeln schließlich in den Schnee.
»Drinnen wimmelt es davon«, sagt Martin und klopft sich die Ärmel und Schultern seines Mantels ab. »Wir sollten einen anderen Eingang suchen, vielleicht auf der Vorderseite.«
»Dort kommen wir nicht rein«, sagt der Sheriff. »Heute Nachmittag wurden die Touristen durch Sirenen nach draußen gejagt, dann schlossen sich die gepanzerten Schotts. Wir bräuchten mindestens eine kleine Armee, um dort einzudringen. Und weitere Öffnungen gibt es meines Wissens nicht.«
»Was ist mit der Feuerwehr?«, fragt Torres. »Müsste dort nicht jemand für die Sicherheitsprüfungen zuständig sein?«
»So etwas ist bei uns nicht gesetzlich vorgeschrieben«, sagt die Präsidentin – eine simple Tatsachenfeststellung.
»Woher bekommen wir Insektengift?«, fragt Mary den Sheriff.
Der Sheriff grinst boshaft. »Da sind Sie hier genau an der richtigen Adresse, Ma’am. Ich werde jemanden in das nächste Geschäft schicken. Wir haben hier jedes Insektenvernichtungsmittel, das Sie sich vorstellen können.«
23 /
Ein langer, leicht gekrümmter Korridor, dessen Wände wie in einer Museumsgalerie mit alten Gemälden behängt sind, führt sie ins Zentrum des Gebäudes. Hale rennt hinterher, um nicht den Anschluss zu verlieren. Er will nicht allein bleiben. Er ist stiller geworden und beklagt sich nicht mehr. Anscheinend ist er bereit, Giffey das Kommando zu überlassen. »Ich habe sie gesehen«, sagt er zu Jenner, Jonathan und jedem, den es sonst noch interessieren könnte. »Meine Hally.« Er schüttelt den Kopf. »Mein Gott.«
Jonathan schläft vor Erschöpfung beinahe ein, während er sich mit schweren Schritten vorwärtskämpft. Giffey kommt plötzlich an seine Seite und sagt Hale, dass er Jonathan ablösen und den bewusstlosen Marcus tragen soll. Hale gehorcht ohne Protest. Marcus’ Kopf rollt haltlos herum.
Giffey und Jonathan fallen ein paar Schritte hinter die anderen zurück.
»Er hat Sie rekrutiert, nicht wahr?«, will Giffey von ihm wissen.
Jonathan nickt. Er ist schon viel zu weit gegangen und viel zu leer, um noch etwas zurückhalten zu können. Dieses Gefühl ist ihm immer vertrauter geworden; für ihn hängt es damit zusammen, sich in Marcus’ Nähe aufzuhalten, ein Teil von Marcus’ Universum zu sein, und er kann Giffey gar nicht unbedingt die Schuld daran geben. Das Stockholm-Syndrom, sagt er sich. Zumindest eine Variante. Er schaut sich die Gemälde an, das eingelagerte Vermögen, das Prestige. Es können unmöglich alles Originale sein, sagt er sich, aber sie wirken recht überzeugend.
»Was hat er Ihnen versprochen?«, hakt
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