Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Slant

Slant

Titel: Slant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
Vom Netzwerk:
Sie das sagen würden.« Der Mann befiehlt einem Arbeiter, ihr ein Glas mit weißem Veriglos zu bringen. Der Arbeiter reicht es ihr auf einem Tablett und sie nimmt einen Schluck. »Ausgezeichnet. Sie haben meine Lieblingssorte ausgewählt – von den Zucker-Weinbergen, wenn ich mich nicht irre.«
    Sie befleißigt sich eines Tonfalls, der nicht übermäßig vertraut ist, sondern erwartungsvoll und doch entspannt und gemächlich, als wären sie sich in der Vergangenheit schon einmal nähergekommen. Durch diese Aufwertung bewahrt sie ihr Selbstwertgefühl und ihre Würde.
    »Ich bin kein besonderer Weinkenner«, sagt der Mann. Seine Stimme ist angespannt, obwohl er es sich kaum anmerken lässt. »Alles, was mir serviert wird, schmeckt mir recht gut.« Er bemüht sich, einen nervösen Atemzug zu kaschieren, was wie ein kleiner Schluckauf klingt. »Ich wusste nicht, ob Sie für… private Auftritte zur Verfügung stehen.«
    Sie lächelt in Richtung seines Gesichts, das sie nur umrisshaft erkennen kann. Nicht nur die Dunkelheit verbirgt seine Züge – keine Maske, sondern irgendein technischer Trick, eine projizierte Verschwommenheit. Nun setzt sie ihre eigene Maske auf, die keine Gesichtszüge, sondern Absichten verbirgt. »Für Fremde mit freundlichen Herzen stehe ich stets zur Verfügung«, sagt sie. »Die Frage ist nur, wie verfügbar Sie sind.«
    Der Mann nimmt eine starre Haltung ein und eine Hand greift nach dem Stoff über der Hüfte.
    Hoppla, das war zu forsch.
    »Bedauerlicherweise überhaupt nicht«, sagt der Mann. Sie fragt sich, ob der Raum auch seine Stimme verändert und ob im Bett auch seine körperlichen Eigenarten durch andere technische Spielereien verfälscht werden. Der künstliche Fremde…
    Zu ihrer eigenen Verblüffung stellt sie fest, dass sie die Situation zu einem gewissen Grad als interessant empfindet.
    »Doch an diesem Abend«, fährt er fort, »gehöre ich nur Ihnen, vollständig und bedingungslos. Ich stehe zu Ihren Diensten… Eine letzte Freude. Ich habe in meinem Leben einige gute Dinge getan und mir eine kleine Gegenleistung verdient.« Er tritt zu ihr und setzt sich neben sie. Obwohl der Schatten ihm folgt, spürt sie, wie er sie aus dieser neuen Perspektive mustert.
    Sie täuscht leichte Nervosität vor und wendet den Blick ab, um seine Beschützer- und Besitzerinstinkte zu stimulieren. In solchen Situationen hat sie seit fünfzehn Jahren nicht mehr mit Nervosität reagiert; sie weiß genau, was geschieht, aber das ist für viele Männer überhaupt nicht sexy.
    »Ich fühle mich geehrt«, sagt sie mit leichtem Stocken. »Das ist alles ein wenig überwältigend für mich. Sie müssen sehr reich sein.«
    Er geht nicht darauf ein. »Ich glaube, jeder Mann hofft darauf, dass eine Frau ihm ehrliche Leidenschaft zeigt«, sagt er. »Wir stellen uns gerne vor, wir seien so attraktiv und überwältigend, dass wir selbst die härtesten Mauern durchbrechen… meinen Sie nicht auch?« Seine Stimme scheint zu lächeln, also lächelt sie zurück.
    »Das scheint es zu sein, was die meisten Männer wollen«, sagt sie.
    »Das würde ich von Ihnen nicht erwarten«, sagt er.
    Aber du bezahlst, also hoffst du, dass du genau das bekommst, denkt sie.
    »Ich bin ein zärtlicher Mann«, sagt er. »Ich bin nicht versessen auf körperliche Stärke… oder Macht. Durch Geld, meine ich. Wenn Sie sich in dieser Umgebung unwohl fühlen, können wir anderswo hingehen.«
    Alice streckt die Arme, ist ein wenig unruhig. »Ich wünschte mir mehr Möbel«, sagt sie.
    »Ich habe es auf meine Situation bezogen«, sagt er. »Ich hoffe, es gefällt Ihnen, hier zu sein. Ich möchte wissen, wer und wie Sie sind. Und mir liegt etwas daran, dass Sie sich wohl fühlen… dass es für Sie genauso angenehm wie für mich ist.«
    Jetzt ist es Alice, die erstarrt, obwohl sie es besser verbergen kann. Dieser Mann, dieser Unbekannte, gehört zu jenem Typ, der im Sexdienstleistungsgewerbe am meisten gefürchtet ist. Er möchte Alices professionelle Fassade durchdringen und eine tiefere Beziehung aufbauen. Er möchte ihre Gefühle berühren, als wäre sie irgendein junges Mädchen mit Liebeskummer; möglicherweise ist es das Einzige, was ihn noch erregen kann. Während der kurzen Phase, in der sie Call-ins machte, unterhielten sich die anderen Frauen gelegentlich über diese Typen, aber sie ist nie zuvor einem begegnet. Er versteckt sich, aber er will alles über mich wissen.
    Nun, sie kann auch diese Rolle spielen. »Es ist immer wieder

Weitere Kostenlose Bücher