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Slant

Slant

Titel: Slant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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über diesen Mann weiß, an all die Geschäfte und Abmachungen, an denen er Gerüchten zufolge beteiligt ist, an all die Drohungen, die er direkt ins Parlament und die mächtigsten Gremien einbringt, sogar in den Rim-Rat und das Weiße Haus der Südküste… Jedenfalls fällt es ihm schwer, sich Marcus als alten Trottel vorzustellen.
    »Es ist kein nettes Thema«, fährt Marcus unbeirrt fort. »Die therapierte Gesellschaft bewegt sich auf zu vielen Krücken fort. Sie ist verkrüppelt und korrupt. Aber das Unbekannte ist unheimlich. Die Stoiker dagegen glauben an die Überlegenheit ihrer Klasse und die Gewissheit, dass Gott irgendwann die Gossen ausspülen und wieder klares Wasser fließen lassen wird. Doch das wird nicht geschehen. Wir haben während der Tanzstunden einige schwere Fehler gemacht, und nun ist das Parkett mit tolpatschigen Idioten überfüllt…«
    Marcus’ Worte kommen Jonathan ein wenig zu eingeübt, aber nichtsdestoweniger überzeugend vor. Dennoch sträubt er sich dagegen, zu schnell jeden Widerstand aufzugeben. »Ich glaube nicht, dass es so schlimm steht«, sagt Jonathan.
    Marcus blickt auf den Tisch. Die Kellnerin bringt ihm eine neue Schale mit Scotch und fragt Jonathan, ob er noch etwas Wein möchte.
    »Einen Kaffee, bitte«, sagt Jonathan.
    »Modkaffee, normal oder De?«, fragt die Kellnerin.
    »Normal«, sagt Jonathan.
    »Wir sind uns sehr ähnlich, Jonathan«, sagt Marcus. »In deinem Alter lebte ich in der besten aller möglichen Welten, wenn man von ein paar Stolpersteinen hier und dort absieht. Beate liebte mich, und ich liebte sie und gemeinsam haben wir etwas aufgebaut. Doch das war vor zwanzig Jahren. Wir steuerten auf den Raphkind-Show-down und das letzte Hurra der Super-Konservativen zu. Raphkind hat uns den Rest gegeben. Und ging über Bord. Möge der Bastard in der Hölle schmoren. Jetzt haben wir also die Weicheier, die sich Neo-Föderalisten nennen – ein trendiger Name für eine rein kommerzielle und pragmatische Geisteshaltung. Ich gehöre dazu. Ich weiß, dass du dazugehörst. Bist du stolz auf dein Glaubensbekenntnis?«
    »Innerhalb gewisser Grenzen«, sagt Jonathan. Er vermutet, dass Marcus pflichtbewusst und raffiniert die Melodie dessen spielt, der gerade die Macht hat.
    »Was hält die Zukunft noch für dich bereit? Wusstest du, dass Manager zwischen vierzig und fünfzig doppelt so häufig an thymischen Störungen leiden wie Angestellte von Zeitarbeitsagenturen? Die Gesellschaft macht uns kaputt. Wir machen uns selbst kaputt. Doch wenn wir uns in die Obhut der Therapeuten begeben, korrigieren sie unsere Neuronen und Glia-Zellen, sie impfen uns mit mikroskopischen Monitoren, die angeblich unsere Neurotransmitter ausgleichen und unser Urteilszentrum reparieren sollen. Sie behaupten, wir wären dann wieder so gut wie neu. Aber weißt du, was wirklich geschieht? Wir verlieren an Schneid… Therapierte Manager packen es einfach nicht mehr. Wer glücklich ist, lässt in seiner Wachsamkeit nach. Irgendwann wird das Glück zu einer Art Droge, sodass er Herausforderungen scheut, weil ein Misserfolg ihn unglücklich machen würde. Das ist eine Tatsache. Also lassen wir allmählich unsere mentalen Schmerzen wieder zu und halten uns von den Therapeuten fern.
    Aber wir wollen natürlich, dass unsere Angestellten therapiert werden – wir wollen, dass sie glücklich, in ausreichendem Maße kreativ und freundlich sind. Aber Manager sind eine Klasse, die sich eine solche Glückseligkeit nicht leisten kann. Wir haben eine größere Pflicht.« Marcus blickt Jonathan an. »Du bist nicht glücklich, stimmt’s?«
    Jonathan lehnt sich zurück, breitet die Arme aus und stößt einen leisen Seufzer aus. »Ich bewege mich irgendwo zwischen allgemeiner Zufriedenheit… und extremer Unruhe«, sagt er.
    Marcus hebt die Augenbrauen. »Gut formuliert.«
    »Aber ich bin nicht verzweifelt unglücklich, Marcus.«
    »Doch wenn sich eine Gelegenheit zu großen Veränderungen und neuen Möglichkeiten bietet, würdest du sie wahrnehmen, stimmt’s?«
    Damit sind sie wieder am kritischen Punkt angelangt.
    »Das würde ich von der Gelegenheit abhängig machen.«
    Marcus stößt mehrere Male mit dem Zeigefinger auf die Tischplatte. »Der Goldring, Jonathan. Nicht der Messingring. Gold.«
    Jonathan trinkt die letzten Tropfen Wein aus seinem Glas. Draußen deutet nichts darauf hin, dass die Gewalt des Gewitters nachlassen könnte. »Hast du diese Gelegenheit schon jemand anderem angeboten?«
    »Ja«, sagt

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