Slide - Durch die Augen eines Mörders
Ferne die Klingel. Die Stunde ist zu Ende. Es ist Zeit, in meine persönliche Hölle zurückzukehren. Zane zieht den Mantel ganz aus und hängt ihn mir um die Schultern, umhüllt mich mit seiner Wärme.
»Na los«, sagt er. »Und tritt nicht auf die Scherben. Sonst musst du zur Krankenschwester und triffst einen anderen Typen.«
15. Kapitel
Z ane und ich mischen uns unter die anderen Schüler, die durch den Flur strömen. Jemand hält mich am Ellbogen fest, und ich erkenne eine blonde Cheerleaderin, mit der ich mal befreundet war. Ihre Augen leuchten, sie sprudelt förmlich vor Aufregung.
»Du hast was verpasst. Mattie und Amber haben sich gestritten!«
»Was?«
»Gerade eben. Mattie hat Amber als Schlampe bezeichnet, da hat Amber sie geschlagen. Es war – totaler – Wahnsinn.« Das Mädchen läuft weg und stürzt sich auf jemand anderen, um ihren Klatsch zu verbreiten.
»Was ist los?«, fragt Zane, als er mein blasses Gesicht sieht.
»Es geht um meine Schwester. Herrgott, ich muss sie finden. Wir reden später.«
»Klar, kein Problem. Bis nachher.« Er drückt meine Hand und verschwindet in der Menge. Ich stelle mich auf Zehenspitzen, um über die Schüler hinwegzublicken, die auf dem Weg in den Unterricht sind. Ich suche verzweifelt nach dem Gesicht meiner Schwester, doch sie ist nirgendwo zu sehen. Ich lasse mich von der Masse der Körper durch den Flur tragen, vorbei an Klassenzimmern und Wasserspendern. Als wir die Verwaltung erreichen, entdecke ich Mattie durchs Fenster.
Sie und Amber sitzen vor dem Büro des Direktors, nur getrennt durch einen billigen orangenen Stuhl. Sie schauen einander nicht an, sondern blicken grimmig vor sich hin. Die Kleidung meiner Schwester ist durcheinander, der Halsausschnitt ihres Cheerleader-Kostüms zerrissen.
Nasty taucht aus seinem Büro auf. Sein Mund bewegt sich, und er zeigt mit dem Finger, doch ich kann ihn durch das schmierige Fenster nicht hören. Er spricht mit meiner Schwester und schickt sie weg, als wäre er ihrer überdrüssig.
Sie stürmt durch die Tür und prallt fast mit mir zusammen. »Vee!«
Ich führe sie am Ellbogen zur Mädchentoilette. Eine Zwölftklässlerin auf lächerlich hohen Absätzen steht vor dem Spiegel und fummelt an ihrer Kontaktlinse herum. Sie blinzelt ein paarmal, greift nach ihrer rosa Handtasche und rauscht an uns vorbei. Alle Kabinen sind frei, also kann ich loslegen.
»Was ist passiert?« Ich verschränke die Arme vor der Brust.
Sofort bricht Mattie in Tränen aus. »Amber ist so eine Schlampe. Sie hat behauptet, Scotch hätte Sophie geschwängert, und sie hätte sich deswegen umgebracht.«
Ich atme tief aus. »Das hat sie gesagt?«
Mattie taucht in eine Kabine und rollt Toilettenpapier ab. Sie betupft ihre Wangen und wischt sich die Wimperntusche ab, die ihr übers Gesicht gelaufen ist. »Na ja, wir standen an meinem Spind, und Samantha hat gesagt, Amber sei nach der Beerdigung mit Scotch abgezogen. Amber hat angedeutet, er habe ihr etwas Wichtiges erzählt, und dann haben wir sie gedrängt, es uns zu sagen.«
»Und dann hat sie dich geschlagen?«
Mattie schüttelt den Kopf. »Nein. Amber meinte, dass Sophie sich deshalb umgebracht hätte – also wegen der Schwangerschaft. Ich bin sauer geworden, weil sie damit die Verantwortung loswerden wollte. Ich meine, nach dem, was wir getan haben … Also habe ich sie gefragt, ob sie schon das Foto vergessen hätte, das wir an alle geschickt haben. Ob sie wirklich glaube, dass es nichts mit Sophies Selbstmord zu tun hätte. Da hat sie mich geschlagen.«
Ich seufze. »Sag lieber nichts mehr.«
Mattie bricht in Tränen aus. Ich kann es nicht ertragen, wie sie weint, dass sie sich die Schuld an Sophies Tod gibt. Ich möchte ihr so gerne sagen, dass Sophie sicher verletzt war, sich aber nicht deswegen das Leben genommen hat. Doch ich bringe es nicht über mich, ihr die Wahrheit zu sagen, und hasse mich dafür.
Ich nehme sie in die Arme. »Mattie, du darfst weder dir noch Amber die Schuld an ihrem Tod geben. Es waren noch andere Faktoren im Spiel. Vertrau mir. Wenn du dir Vorwürfe machen willst, weil du einen Fehler begangen hast, kein Problem, aber mach etwas Konstruktives daraus. Versuch, solche Fehler in Zukunft zu vermeiden. Du
darfst
nicht glauben, Sophie sei wegen dir gestorben.«
Mattie löst sich von mir und schaut mir in die Augen. »Meinst du das ernst?«
»Natürlich, Mattie, das schwöre ich dir. Du musst mir vertrauen.«
Sie legt den Kopf an meine Schulter
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