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Slide - Durch die Augen eines Mörders

Slide - Durch die Augen eines Mörders

Titel: Slide - Durch die Augen eines Mörders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jill Hathaway
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zerstören.
    »Noch zwei Minuten!«, warnt Mrs Winger und tanzt aufgeregt um uns herum, als wolle sie uns zur Eile antreiben. Scheiße. Was soll ich ihm sagen?
    Rasch notiere ich:
Sag ihr, sie sei so hübsch, dass dich jedes Mal ein kleiner Stromschlag durchfährt, wenn du sie siehst.
    Dann falte ich das Blatt wieder zusammen und drücke es Mrs Winger in die Hand. Sie sammelt alle ein, schaut auf die Codewörter und gibt sie den ursprünglichen Personen zurück. Ich sehe, wie Zane sein Blatt auseinanderfaltet. Und lächelt.
    Dann legt sie mir meins hin. Ich überfliege meinen ursprünglichen Text und die Antwort:
Hm, ich glaube, du deutest zu viel hinein. Das Mädchen hatte Probleme. Hat den einfachen Ausweg genommen. Fertig, aus.
Ich schaue mich um. Samantha betrachtet mich aufmerksam. Langsam zerknülle ich das Blatt und schaue sie dabei unverwandt an. Sie wendet sich ab.
    Es klingelt. Zane bleibt neben meinem Pult stehen und wartet, bis ich meine Sachen zusammengeräumt habe. Auf dem Weg zur Tür werfe ich das Blatt in den Müll. Zane witzelt, dass Mrs Winger tatsächlich Flügel wachsen, wenn sie noch lange mit den Armen wedelt. Lachend treten wir in den Flur.
    Ich entdecke Rollins, der vermutlich auf der Suche nach mir ist. Er wirkt ein bisschen gekränkt, als er mich mit Zane entdeckt. Ich will lächeln und winken, aber er verschwindet in einer Toilette. Meine Hand fällt nutzlos herunter.
     
    Alle starren mich an, als ich mit Zane durch die Eingangshalle gehe. Vermutlich, weil er der Neue ist und den Neuen immer ein kleines Geheimnis umgibt, vor allem aber ist er unglaublich heiß. Ich genieße die eifersüchtigen Blicke, als wir an einer Gruppe Mädchen aus der neunten Klasse vorbeikommen.
    Zane füllt seine grüne Trinkflasche am Wasserspender, und ich warte, wobei ich meine Bücher von einer Hüfte auf die andere packe. Der Flur wird immer leerer, alle rennen vor dem Klingeln in ihre Klassen.
    »Was hast du als Nächstes?«, frage ich.
    »Politik bei Carson. Ich könnte ein Schläfchen vertragen.«
    Mr Carson ist circa hundert Jahre alt. Er unterrichtet hier, seit unsere Schule in den 1950 er Jahren eröffnet wurde. Seine Vorstellung von Unterricht besteht darin, dass man fünf Seiten eines kaum leserlichen, handschriftlichen Textes vom Overhead-Projektor abschreibt, wobei man beinahe ins Koma fällt und zu Tode erschreckt wird, wenn er dann, wenn man es am wenigsten erwartet, seine halbe Lunge in ein lila Taschentuch hustet. Jedes Jahr werden Wetten abgeschlossen, ob es sein letztes sein wird.
    »Komm schon. Sein Unterricht ist doch brillant.« Zane lacht, wobei mir ganz warm wird.
    Den ganzen Morgen habe ich mir vorgestellt, wie er seine Lippen auf meine Lippen drückt. Unser Kuss überlagert die Wirklichkeit. Wir stehen einfach hier im Flur und reden, aber in meinem Kopf umschlingen sich unsere Gliedmaßen, und wir lassen unsere Körper sprechen.
    Es klingelt, die Realität droht. Ich will in ein Paralleluniversum fliehen, in dem ich mit Zane unter der Tribüne verschwinden kann, statt mich zu fragen, wer Sophie Jacobs getötet hat. Plötzlich begreife ich, warum die Kondomverpackung unter der Tribüne gelegen hat. Sie war der Beweis dafür, dass jemand vor den Hausaufgaben und den Spinden und den Mädels aus der Mittagspause geflohen ist – in eine Welt, die zulässt, dass ein Mädchen verschwindet und keine Fragen stellt.
    »Willst du blaumachen?« Die Frage kommt aus heiterem Himmel und überrascht sogar mich.
    »Wohin gehen wir denn?«
    »Ich kenne da was.«
    Zane lächelt. Er weiß nicht, dass
er
mein Zufluchtsort ist.
     
    In dieser Woche ist es kälter als sonst. Der Wind fegt unter der Tribüne hindurch und dringt unter mein dünnes T-Shirt. Ich hätte mir das besser überlegen und einen Mantel mitbringen sollen. Aber dann zieht Zane schon seinen überdimensionalen Cordmantel aus und bietet mir an, ihn zu teilen. Schon ist alles perfekt.
    »Das ist also dein Versteck?« Er schaut sich um, registriert alles. Süßigkeitenpapiere. Zigarettenkippen. Den Haufen welker Blätter.
    »Es ist nichts Besonderes«, sage ich. »Aber hierher komme ich eben.«
    Zane nickt. »Es ist ein bisschen … mystisch.«
    Mystisch
. Genau das richtige Wort, um einen Ort zu beschreiben, an dem man sieht, aber nicht gesehen wird, an dem man Dinge hört, die man nicht hören will. Erst da begreife ich, weshalb ich mich unter der Tribüne so wohl fühle. Wenn ich hier unten lauere, ist es wie beim Wandern. Ich bin

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