Slow Food Genussfuehrer Deutschland 2014
Vielfalt der lokalen Gerichte« heißt es bereits im Slow Food-Gründungsmanifest von 1989.
So entstand zuerst in Italien die Idee einer Wiederbelebung der traditionellen Gasthauskultur, der Osterie. Resultat dieser Rückbesinnung war ein Buch, in dem von Auflage zu Auflage in wachsender Zahl Lokale verzeichnet waren, die sich der globalisierten kulinarischen Gleichmacherei, dem Einsatz von Fertigprodukten und künstlichen Zusatzstoffen und dem Einheitsbrei einer internationalen Bistro-Küche entzogen. Der Gasthausführer Osterie d´Italia , inzwischen auf ein Verzeichnis von über 1.700 Lokalen angewachsen, prägte als unverzichtbarer Reisebegleiter eine ganze Generation von Slow Food-Mitgliedern und anderen hungrigen, Qualität und Genuss suchenden Italien-Reisenden. »So etwas müsste es auch bei uns geben« , war der einhellige Stoßseufzer der in Deutschland immer zahlreicher werdenden Anhänger der Slow Food-Idee. Kein Restaurantführer im üblichen Sinne sollte es sein, sondern ein Kompendium, in dem der Gast Antwort auf die Fragen erhält: Wie finde ich ein Gasthaus, in dem die regionale Kochkultur gepflegt wird? Wo kommen gute Gerichte aus frischen Grundstoffen im Einklang mit den Jahreszeiten auf den Tisch? Welcher Wirt bietet seinen Gästen unverfälschte Küche zu vernünftigen Preisen und verzichtet auf die Helferchen der Chemie?
Aber ließen sich die italienischen Verhältnisse einfach auf Deutschland übertragen? Die Italiener konnten an eine in vielen Regionen bestehende, noch intakte traditionelle Wirtshauskultur anknüpfen. Doch die Deutschen, bekanntermaßen Reiseweltmeister, frischten ihre Urlaubserinnerungen am liebsten in der heimischen italienischen Pizzeria, der griechischen Taverne um die Ecke oder beim Thailänder auf. Die daraus folgende Internationalisierung der deutschen Gastronomielandschaft führte in den 60er und 70er Jahren des 20. Jahrhunderts zu einem kulinarischen Kahlschlag, den nur wenige Inseln überstanden. Auf denen konnte die regionale Küche manchmal nur deshalb überleben, weil sie sich touristisch vermarkten ließ. Münchner Brauhallen, die Rüdesheimer Drosselgasse oder das Berliner Nikolai-Viertel verkörpern eine für den Touristengeschmack aufbereitete Verballhornung deutscher Regionalküche, in der leider oft auch die schwere und fette »Plumpsküche« der Fünfzigerjahre, wie Wolfram Siebeck sie einmal treffend genannt hat, fröhliche Urständ feiert. Erbspüree und Ringeltanz – dorthin wollte eigentlich niemand zurück.
In langen Diskussionen schälten sich schließlich Kriterien für einen etwas anderen deutschen Gastronomieführer heraus: wie ein Buch beschaffen sein muss, das uns zu den Gasthäusern führt, in denen das Essen wieder sinnlichen Genuss bereitet und sich vom Einheitsgeschmack deutlich abhebt. In denen mit Freude authentisch gekocht wird. Dabei ging es uns auch um ein neues Bewusstsein für die Grundprodukte: Weil – vorsichtig geschätzt – in zwei Dritteln aller gastronomischen Betriebe hierzulande lieblose Fertigprodukte aus der Lebensmittelindustrie zum Einsatz kommen, sollten in den von uns beschriebenen Gasthäusern frische und saisonale Grundstoffe aus der Region die Töpfe und Pfannen füllen und auf handwerkliche Art und Weise verarbeitet werden. Die Köche sollen bewusst auf den Einsatz von Aromastoffen, Zusätzen und Geschmacksverstärkern verzichten. Und die Gerichte und Rezepturen sollen in der jeweiligen Region beheimatet sein und durch neuen gastronomischen Anschub vor dem Vergessen bewahrt werden. Ach ja: Bezahlbar soll das kulinarische Glück für den durchschnittlichen Gast auch noch sein.
Ein zu hoher Anspruch? Ein unmögliches Unterfangen? Wir beweisen mit diesem Buch hoffentlich das Gegenteil: Aus kleinen Testzirkeln heraus entwickelte sich über die Jahre eine immer breitere Bewegung innerhalb Slow Food Deutschlands. Heute durchforsten über 60 örtliche Testgruppen mit insgesamt etwa 400 Mitgliedern die regionale Küchenlandschaft unseres Landes. Die in diesem Buch versammelten 300 Einträge aus den einzelnen Regionen sind das Ergebnis einer echten Bewegung »von unten« – aus den Ortsgruppen (»Convivium« genannt) von Slow Food heraus. Unsere Mitglieder sind die wahren Autoren dieses Buches. Sie testen vor Ort strikt ehrenamtlich und ohne Spesenbudget. Nur so bleiben Unparteilichkeit und der kritische Blick auf das Dargebotene garantiert. Seit einigen Jahren koordiniert die Genussführer-Kommission von Slow Food
Weitere Kostenlose Bücher