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Slow Travel: Die Kunst Des Reisens

Slow Travel: Die Kunst Des Reisens

Titel: Slow Travel: Die Kunst Des Reisens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Kieran
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äußerten sich mehr oder weniger pessimistisch über unsere Chancen, überhaupt welche zu Gesicht zu bekommen. Alle sprachen von den Adlern, als wären sie Mitglieder der Gemeinde. Auf Mull leben circa 3000 Menschen, und die meisten von ihnen wissen es zu schätzen, was die Vögel zur Wirtschaft beitragen. Jeder hatte einen anderen Vorschlag, woman die Gold- und Seeadler finden könne, aber Alec, der Besitzer des Pubs, ermahnte sie, uns nicht zu viele Hoffnungen zu machen. Er blieb skeptisch:
    »Es gibt ein Pärchen, dass jedes Jahr eine Woche bei uns verbringt, er ist Fotograf, deshalb kommt er gern außerhalb der Saison, wenn weniger Touristen da sind. Tja, sie sind heute Morgen abgereist und haben die ganze Woche nicht einen Adler gesichtet.«
    Er unterstrich seine Schwarzmalerei mit der Ankündigung, da wir ja nun hier seien, würde er den Pub schließen und nach Hause gehen. Das überraschte uns, da es erst sieben Uhr abends war, aber einmal früh ins Bett zu gehen würde uns nicht schaden. Das flackernde Kerzenlicht wirkte wie ein natürliches Schlafmittel und sorgte dafür, dass einem die Augen zufielen. Die Auskünfte über die Adler waren nicht so ausgefallen, wie wir gehofft hatten, doch mittlerweile waren wir einfach froh, dass wir hier waren. Alec gab uns einige zusätzliche Decken, die wir über die Federbetten legen konnten, und das zuversichtliche Versprechen, dass es bald wieder Strom geben würde und alles in Ordnung wäre.
    Am Morgen gab es noch immer keinen Strom, und Kev und ich frühstückten in der Bar bei Feuerschein. Wir waren aufgeregt und unruhig. Grauer Nieselregen fiel in den Sund von Mull und drang durch unsere Mäntel, als wir in der Morgendämmerung auf Bryan Rains, unseren Führer, warteten. Er kam einige Minuten später in einem weißen Minibus angefahren, und sein freundliches Auftreten konnte nicht verbergen, dass er uns keine großen Hoffnungen machen wollte.
    »Wir haben heute Morgen ein sehr kleines Zeitfenster, ein paar Stunden, wenn wir Glück haben, denn gegen Mittag kommt der Sturm zurück. Dann wird man nichts mehr sehen können.«
    Ich war entschlossen, optimistisch zu bleiben, undsagte, wenn wir keine Adler fänden, würden wir sicherlich andere Wildtiere zu sehen bekommen. Anschließend erzählte ich Bryan von meiner Theorie des langsamen Reisens und merkte an, dass man meist mit unverhofften Freuden belohnt wird, wenn man darauf eingestellt ist, sich Zeit zu lassen. Er zog nur die Augenbrauen hoch und antwortete mit einem simplen »Aha«.
    Als wir den Hügel südlich von Craignure hinauffuhren, erklärte Bryan uns, dass es drei Stellen gäbe, an denen wir gute Chancen hätten, etwas zu sehen zu bekommen, und wir direkt dorthin fahren sollten. Doch bald wurden wir von der Landschaft überwältigt. Die Sonne würde erst um 8.30 Uhr aufgehen, und im Dämmerlicht näherten wir uns den »Three Lochs«. Auch wenn ich geglaubt hatte, ich hätte Arnheim bereits gesehen, wusste ich, dass ich nun dort angekommen war. Die Straße stieg am nördlichen Ende eines Tals leicht an, das sich nach Süden hin zwischen zwei kleineren Bergen erstreckte, Ben Buie lag zu unserer Rechten und Creach Bheinn zur Linken. Abgesehen von dem gesprenkelten Braun der Erde, dem Gras und kurzen, verwitterten Zaunpfählen war alles von Schnee bedeckt. Das hinter uns gelegene Loch Sguabain speiste über einige Steinstufen die drei Lochs mit Wasser, die auf Augenhöhe in der Ferne auszumachen waren. Der Himmel war voller weißer und grauer Wolken, die vom roten Morgenlicht gesäumt waren, und man konnte sehen, wie das Wasser sich hinunter durch das Gleann a’ Chaiginn Mhoir bis nach Lochbuie gegraben hatte, das hinter den Hügeln am Horizont lag. Kev, der bisher nur im Sommer auf Mull gewesen war, staunte über die Verwandlung. Wir hatten Ferngläser dabei, doch keiner von uns dachte an die Adler. Manchmal gibt es Augenblicke, in denen sich die Landschaft, das Licht und die eigenen Emotionen perfekt ergänzen.
    Nach einigen Minuten seligen Schweigens holte Bryansein Teleskop heraus, weil Kev etwas entdeckt hatte. Er klappte das Stativ auf, peilte einen kleinen Felsvorsprung an, der etwa 45 Meter unter dem Gipfel des Craich Bheinn lag, und fing sofort an, in sich hineinzukichern.
    »Das ist ein Goldadler – gutes Auge, Kev.«
    Ich schubste Bryan ungeduldig vom Teleskop weg, um einen Blick auf den dunkelbraunen Federknäuel zu erhaschen, der sich an der weit entfernten Bergflanke um seine eigenen

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