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Slow Travel: Die Kunst Des Reisens

Slow Travel: Die Kunst Des Reisens

Titel: Slow Travel: Die Kunst Des Reisens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Kieran
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das uns gelinde gesagt beunruhigte. Craignure, wo wir übernachten wollten, und der ganze südliche Teil der Insel waren dunkel. Vollkommen dunkel. Die Stromversorgung war noch immer unterbrochen. Längst vergessene Stürme kamen mir wieder in den Sinn. Ich tastete nach meinem Handy, um den Pub anzurufen, in dem wir ein Zimmer bestellt hatten, und sicherzugehen, dass wir dort übernachten konnten. Kein Freizeichen. Ich dachte an die Nachrichten und die unbekannten Telefonnummern, die ich ignoriert hatte, und verspürte einen Anflug von Panik.
    Kev und ich gingen unter Deck, um der Kälte zu entkommen, und überlegten, was zu tun sei. Wenn der Pub keinen Strom hatte, war er wahrscheinlich geschlossen, und wir hatten keinen Platz zum Schlafen. Vielleicht war überhaupt niemand dort, und wir saßen vollständig in der Patsche. Keines unserer Handys funktionierte. Die Fähre würde am Abend nach Oban zurückfahren, also konnten wir dorthin zurück, aber damit entging uns die Gelegenheit, am nächsten Tag die Adler zu sehen. Wir hatten uns für die südliche, weniger bevölkerte Seite der Insel entschieden, weil dort der einheimische Führer wohnte, der uns am nächsten Morgen abholen sollte. Es war erst fünf Uhr nachmittags, doch als wir die Fähre verließen, war es so dunkel, dass nur der Mondschein,der sich auf dem Wasser spiegelte, und die Scheinwerfer der vorbeifahrenden Autos es uns ermöglichten, überhaupt etwas zu sehen.
    Glücklicherweise war der Pub doch geöffnet – sie hatten tatsächlich gewartet, ob wir auftauchen würden. Eine Handvoll Einheimischer begrüßte uns, der Raum war behaglich, man hatte Kerzen und ein Kaminfeuer angezündet. Flaschen mit Newcastle Brown Ale und Gläser voll Whisky wurden serviert, während man über das Wetter sprach und herzlich darüber lachte, dass eine Windturbine explodiert war, weil es zu windig war. Sie hatten angenommen, dass wir weiter nach Tobermory wollten, und uns dort Zimmer besorgt; einige Leute, die an der Bar saßen, boten uns sofort eine Mitfahrgelegenheit an, aber Kev und ich wollten bleiben, wo wir waren. Nach der Reise, die wir hinter uns hatten, war ein kleiner Gasthof auf einer abgelegenen schottischen Insel, der nur von einem Feuer erhellt wurde, genau der richtige Ort für uns. Irgendwann grinste Kev mich an und sagte: »Dieses Ding mit dem langsamen Reisen – läuft das immer so ab?« Unsere Gastgeber schienen überrascht zu sein, dass wir bleiben wollten, aber wir stießen mit jedem von ihnen an und hatten dabei das Gefühl, dass wir hier noch eine Menge Spaß haben würden.
    Der Himmel hatte aufgeklart, und Jupiter erstrahlte als heller Fleck, um uns an unseren Platz im Universum zu erinnern. Wenn man an einem abgelegenen und dunklen Ort wie Mull ins Weltall schaut, kommt man nicht umhin zu erkennen, wie vergänglich das Leben ist. Wenn man zu den Sternen oder zu den weit entfernten Sonnen am nächtlichen Himmel hinaufblickt und daran denkt, dass das Universum mehr von diesen Himmelskörpern enthält, als es Sandkörner auf dem Planeten Erde gibt, kann es einem keiner übel nehmen, wenn man die Hände vors Gesicht schlägt undanfängt zu schreien, weil das Dasein so unergründlich und absurd ist.
    Es überrascht mich immer wieder, wozu wir als Spezies in der Lage sind. Bestimmt wurden unsere Vorfahren viel öfter von solchen mulmigen Gedanken heimgesucht, denn sie lebten in Zeiten, in denen nach Sonnenuntergang nur noch ein Feuer Licht spendete. Man zieht unwillkürlich den Kopf ein, wenn man eine längere Zeit in einer solchen Dunkelheit verbringt. Es wird einem bewusst, dass die künstlichen Lichtquellen, die uns isolieren und hinter denen wir uns verstecken, einem ein trügerisches Gefühl von Kontrolle vermitteln, sowohl über die reale als auch die imaginäre Welt. Die Wahrnehmung der Dunkelheit und das Gefühl von Bedrohung, das sich einstellt, wenn man ganz von ihr umschlossen ist, brachte jedoch nicht nur Aberglauben, Mythen, Götter und Ungeheuer hervor. Wir bilden uns ein, wir seien weiter entwickelt als die Baumeister, die im Bronzezeitalter die Hügelgräber in den South Downs errichteten, aber sie waren noch so eins mit den Gestirnen, dass sie die Hügelgräber nach dem Stand der Sonne am Mittsommertag ausrichten konnten. Ich frage mich, ob diese Verbundenheit sie ihren Platz im Universum fragloser akzeptieren ließ.

    In der Bar wendete sich das Gespräch bald den Adlern zu, und unsere neuen Freunde gaben uns Ratschläge und

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