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Small World (German Edition)

Small World (German Edition)

Titel: Small World (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Suter
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länger auf der Toilette war, klopfte er an die Tür und raunte: »Brauchst du etwas, Schatz?« »Schatz« hatte er sie bisher nie genannt.
    Das Erbrechen am Morgen konnte sie schlecht vor ihm verheimlichen, und es dauerte nicht lange, bis er es als Druckmittel gegen Konrad Lang benutzte.
    »Ich bewundere ja dein Engagement, aber jetzt ist die Zeit gekommen, wo du auch auf dich achten mußt. Überlaß ihn den Fachleuten!«
    In diese Situation fiel auch die Rückkehr von Elvira.
    Simone hatte sich während deren Abwesenheit immer wieder gefragt, ob sie im »Stöckli« wohl alles so zurückgelassen hatte, wie sie es angetroffen hatte. Ob vielleicht die Alben im Geheimfach des Sekretärs in einer bestimmten Reihenfolge gelegen oder ob die Leute vom Kopierdienst verräterische Buchzeichen oder Notizen zwischen den Seiten vergessen hatten.
    Sie war nervös, als der Abend kam, an dem Urs und sie Elvira zu einem kleinen Begrüßungsessen empfingen.
    Als Simone Elviras zwei abweisende Küsse entgegennahm, ließ sich diese jedenfalls nichts anmerken. Sie sah erholt aus. Ihr Gesicht war diskret und gleichmäßig gebräunt, und ihr Haar brachte das mit einer dezent helleren Tönung schmeichelhaft zur Geltung.
    Sie erzählte ein wenig von gemeinsamen Bekannten, die sie oben getroffen hatte, hielt sich kurz über Thomas’ Entschluß auf, die Weihnachtskreuzfahrt mit drei Wochen Acapulco abzurunden, wie er sich am Telefon ausgedrückt hatte, und kam dann zur Sache:
    »Wie geht es unserem Patienten?«
    »Den Umständen entsprechend.«
    »Sitzt da und starrt vor sich hin?«
    »Nein, redet.«
    »Worüber?«
    »Von früher.«
    »Was?«
    »Im Moment aus seinen Tagen im ›St. Pierre‹.«
    »Das muß über fünfzig Jahre her sein.«
    »Er geht rückwärts. Immer tiefer in seine Erinnerungen zurück.«
    »Sie macht sich kaputt mit diesem Koni. Dabei sollte sie sich schonen.« Urs lächelte Simone an: »Sollen wir es ihr sagen?«
    Simone stand auf und verließ den Raum.
    Urs blieb verdattert sitzen.
    »Mach schon, geh ihr nach!«
    »Entschuldige, es ist… Simone…«
    »Ich habe schon verstanden. Ich freue mich für euch.«
    Kaum war Urs draußen, stand auch Elvira auf.
    Dr. Stäubli hatte spät noch einen Anruf bekommen. Kurz nach zehn Uhr kam er ans Tor der »Villa Rhododendron« und traf dort einen hochgewachsenen jüngeren Mann, der gerade auf Nummer vier der anonymen Klingelknöpfe drückte, die Nummer des Gästehauses. Die beiden Männer nickten sich zu. Aus der Gegensprechanlage kam Simones Stimme. »Dr. Kundert?«
    »Ja, ich bin’s.«
    Der Türöffner surrte.
    »Darf ich mit hinein?« fragte Dr. Stäubli.
    Kundert zögerte. »Ich weiß nicht, man nimmt es hier sehr genau mit den Sicherheitsvorschriften. Werden Sie in der Villa erwartet?«
    »Nein, heute im ›Stöckli‹. Aber ich bin auch oft im Gästehaus bei unserem Patienten Konrad Lang. Ich bin Dr. Stäubli.«
    Auf dem Weg fragte er Kundert: »Sind Sie ganz neu zu uns gestoßen?«
    »Ja, ganz neu.«
    »Psychiatrie?«
    »Neuropsychologie.«
    »Und Dr. Wirth?«
    Sie hatten die Abzweigung zum Gästehaus erreicht. Stäubli blieb stehen und wartete auf eine Antwort.
    »Hat mich sehr gefreut«, sagte Kundert etwas hastig und ließ Stäubli stehen.
    Im »Stöckli« wurde er von einer unruhigen Elvira erwartet.
    »Sie sehen aber nicht aus wie ein Notfall«, lächelte Stäubli.
    »Die Bräune verdeckt die Blässe. Mein Zucker ist zu hoch. Und manchmal schwankt der Boden.«
    »Sie sind achtzig und soeben von fünfzehnhundert Metern heruntergekommen.«
    »Ich bin noch nicht achtzig.«
    Er folgte ihr ins Schlafzimmer. Schon als er ihren Blutdruck maß, wollte sie wissen: »Wie geht es ihm?«
    »Nicht anders als vorgestern, bei unserem letzten Telefongespräch.«
    »Da hatten Sie nichts von seinen detaillierten Erinnerungen an die Zeit vor fünfzig Jahren erwähnt.«
    »Das hab ich nicht getan, weil es nicht stimmt. Um Ihren Blutdruck würde Sie mancher beneiden. Ich zum Beispiel.«
    »Simone sagt, er erzähle detailliert aus der Zeit vom ›St. Pierre‹.«
    »Er redet zwar momentan wieder, aber wirres Zeug. Wenn sie das versteht, ist mit ihr etwas nicht in Ordnung.«
    »Sie ist schwanger.«
    »Dann sollte sie nicht mitten in der Nacht mit jungen Ärzten Krankenschwester spielen.«
    »Tut sie das?«
    »Gerade jetzt. Bin mit ihm hereingekommen. Ein Dr. Kundert, Neuropsychologe.«
    »Und was ist mit Dr. Wirth?«
    »Habe ich auch gefragt.«
    »Und?«
    Stäubli zuckte die

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