Smaragdjungfer
zoomte das Bild vom CD-Rack neben der HiFi-Anlage heran und besah sich die Titel. Rock, Pop, sogar Rap. Nur wenig klassische Musik und nur drei CDs mit Violinkonzerten.
»Also für eine Musikerin, die Violine studiert hat, besitzt sie erstaunlich wenige Violinkonzerte.«
»Sie scheinen zu glauben, dass das mit dem Musikstudium nicht stimmt.«
»Ich habe meine Zweifel.«
Rambacher schwieg einen Moment. »Ich ehrlich gesagt auch.«
Paula warf ihm einen überraschten Blick zu.
»Dass wir so wenige Hinweise auf das Studium gefunden haben, ist tatsächlich ungewöhnlich. Zumindest wirft es gewisse Fragen auf, die wir klären sollten.«
Paula nickte und besah sich das Bild vom Bücherregal neben dem Wohnzimmerfenster, das vom Boden bis zur Decke reichte. Es war das einzige Bücherregal in der Wohnung. Es enthielt eine Reihe von Sonderausgaben verschiedener Romanreihen und ein paar Lexika. Die Buchrücken wiesen bei nur wenigen Exemplaren Gebrauchsspuren auf. Die meisten wirkten neu und unbenutzt. Gut, das war nicht unbedingt ungewöhnlich. Auch Paula hatte etliche Bücher im Regal, die sie noch nie gelesen hatte, weil ihr die Zeit fehlte. Aber ihre Bücher standen nicht so penibel in Reih und Glied wie diese.
Den Eindruck des Unbenutzten gewann Paula auch von den anderen Räumen. Dadurch wirkte die Wohnung, wie auch die von Jerome Kastor, unpersönlich. Eine Sammlung unterschiedlicher Musikrichtungen, die keinen bevorzugten Stil erkennen ließen, Buchserien, die zwar gut aussahen, aber nicht gelesen wurden. Keine Bilder an den Wänden. Keine Fotos. Neutrale Farben.
»Wir nehmen uns nochmals Frau Stojanovics Hintergrund vor«, entschied sie. »Und zwar extrem gründlich.«
»Wollen Sie damit andeuten, ich hätte das gestern nicht gründlich genug getan?«
»Damit will ich andeuten, dass wir heute noch tiefer graben müssen, und dann mal sehen, was wir unter der Oberfläche finden. Wenn Sie das unbedingt persönlich nehmen wollen, ist das Ihr Problem.«
Paula massierte ihre Schläfe. Die Migräne war noch stärker geworden. Sie beschloss, zum nahe gelegenen Aldi-Markt hinüberzugehen, ein paar Zitronen zu kaufen und Kastors Rezept mit der Zitrone im Kaffee auszuprobieren. Konnte nicht schaden, und vielleicht half es ja. Wenn es gegen die Migräne ging, würde sie sogar auf Arschloch-Kastor hören. Ohne ein Wort verließ sie das Büro.
Zwanzig Minuten später war sie zurück. Aus dem Becher in ihrer Hand stieg ein seltsamer Geruch auf. Egal. Paula nahm sich noch einmal die Informationen über Kastor vor. Er hatte eine Schwester erwähnt. Falls die auch hier in Wilhelmshaven wohnte, konnte man sie vielleicht nach ihrem Bruder aushorchen. Inoffiziell natürlich. Paula war sich durchaus darüber im Klaren, wie Jakob Roemer reagieren würde, wenn er herausfand, dass sie hinter Kastor her schnüffelte.
Kastor, dem Einzelkind.
Nirgends gab es einen Hinweis auf eine Schwester, Halbschwester oder Stiefschwester. Und auch er hatte, wie Jasmin Stojanovic, keine lebenden Verwandten. Zwei Menschen, die durch ein Gewaltverbrechen und einen gemeinsamen Bekannten verbunden waren und beide keine lebenden Angehörigen hatten – das war schon ein seltsamer Zufall.
Paula nahm einen Schluck von ihrem Kaffee. Das Gebräu schmeckte so scheußlich, dass sie es beinahe wieder ausgespuckt hätte. Sie schüttelte sich und kippte den Rest in einem Zug hinunter. Anschließend spülte sie mit Mineralwasser nach.
Ihr Handy klingelte. Die Nummer auf dem Display gehörte Ileana. Sie tauschten die üblichen einleitenden Höflichkeiten aus, dann kam Ileana zur Sache.
»Diese Jasmin Stojanovic, nach der du gefragt hast, ist keine von uns. Mein Vater hat sich umgehört. Die nächsten unserer Stojanovics leben in Bremen, aber zu denen gehört keine Jasmin. Und auch nicht zu irgendwem anders im ganzen Land. Also falls sie behauptet hat, Romni zu sein, hat sie gelogen. Vielleicht gehört sie zu den Leuten, die sich mit dem Minderheitenbonus irgendwelche Vorteile verschaffen wollen.« Ileanas Stimme klang verächtlich. »Gibt ja immer wieder welche, die über diese Schiene versuchen, irgendwo was abzusahnen.«
»Ja, bedauerlicherweise. Danke Ileana. Und auch an deinen Vater.«
»Ich soll dich von der Familie grüßen. Mutter lässt fragen, wann du mal wieder zu uns kommst.«
»Wenn dieser Fall abgeschlossen ist. Versprochen.«
Sie beendete das Gespräch und merkte, dass Rambacher sie neugierig ansah. Da sie wieder Romanes mit Ileana
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