Smaragdjungfer
gesprochen hatte, hatte er kein Wort verstanden.
»Die Tote war höchstwahrscheinlich keine Romni«, teilte sie ihm mit.
»Warum sollte sie sich dann als eine ausgeben?« Rambachers Stimme klang zweifelnd. »Wenn man seinen eigenen Status aufpeppen will, sucht man sich dazu normalerweise keine Volksgruppe aus, die von so vielen immer noch verachtet wird – hinter vorgehaltener Hand oder ganz offen.«
Paula nickte. »Genau das ist der Punkt. Die Frau, mit der ich gestern im Celona gesprochen habe, meinte, dass die Tote sich mit der falschen Identität in irgendeiner lukrativen Form den Minderheitenbonus sichern wollte. Aber das macht angesichts ihres Gehalts als Hostess überhaupt keinen Sinn.«
»Immer vorausgesetzt, Ihre Information ist korrekt.«
»Über jeden Zweifel erhaben. Glauben Sie mir, ich kenne die Roma gut. Und mein Informant kennt sie noch besser. Wenn der sagt, dass es bundesweit keine Jasmin Stojanovic unter ihnen gibt, dann existiert keine. Dass sie sogar offiziell als Romni durchgegangen ist, könnte entweder ein Versehen seitens der Behörden sein. Aber in dem Fall hätte sie doch längst alles daran gesetzt, das korrigieren zu lassen.«
»Oder?«
»Oder ihre Papiere sind gefälscht, und sie will als Romni etwas erreichen, das sie sonst nicht bekommen könnte. Ich kann mir aber beim besten Willen nicht vorstellen, was das sein sollte.«
»Ich mir auch nicht. Deshalb halte ich Ihre Theorie für etwas weit hergeholt.«
»Trotzdem werden Sie Frau Stojanovics Hintergrund auf Herz, Nieren, Leber, Milz und alle Organe dazwischen durchleuchten. Und lassen Sie sich nicht von oberflächlichen Stimmigkeiten täuschen. Drehen Sie jede Information über sie dreimal um, ehe Sie sie für bare Münze nehmen. Wenn Sie dafür Kontakte nach Serbien knüpfen müssen, spannen Sie Silke Moravac vom Empfang ein. Die ist mit einem Serben verheiratet und spricht auch selbst gut Serbisch.«
»Wir haben ja auch nichts anderes zu tun.«
»In der Tat.« Paulas Stimme klang honigsüß. »Schließlich hat uns Jakob ausdrücklich damit beauftragt, den Hintergrund der Toten lückenlos zu dokumentieren. Als guter Kriminalbeamter befolgen Sie doch Anweisungen aufs Wort, nicht wahr?«
Rambachers Kiefer mahlten. Paula sah ihm an, dass er sich beherrschen musste, um nicht unangemessen zu reagieren. »Und womit beschäftigen Sie sich?«
»Ich tue dasselbe – mit Kastor.«
»Sie widersetzten sich einer ausdrücklichen Anordnung des zuständigen Staatsanwalts. Damit will ich nichts zu tun haben.«
»Eben darum beschäftigen Sie sich weisungsgemäß mit dem Opfer.« Sie sah ihm in die Augen. »Lassen wir mal sämtliche Dienstanweisungen außer Acht. Gehen wir nur von den uns bisher bekannten Fakten aus. Wenn Sie das allein zu entscheiden hätten: Wo würden Sie nach dem gegenwärtigen Stand der Dinge Ihre Ermittlungen konzentrieren?«
Rambacher musste nicht lange überlegen, das sah sie ihm an. Dennoch zögerte er mit der Antwort. Schließlich gab er zu: »Bei Kastor. Aber ich setze mich trotzdem nicht über eine Dienstanweisung hinweg.«
Paula maß ihn mit einem verächtlichen Blick. »Sie waren mal ein mutiger Mann, Rambacher. Sie haben das Richtige getan und einem Opfer zu seinem Recht verholfen. Gegen alle Widerstände. Aber jetzt scheinen Sie nur noch ein kleiner Feigling zu sein, der Angst davor hat, dass sein Schatten irgendwo unliebsam anecken könnte.«
»Jetzt werden Sie bitte nicht persönlich!«
Das hatte ihn sichtbar getroffen. »Keine Sorge. Wenn’s wegen der Nachforschungen über Kastor eins aufs Dach gibt, halte ich meins hin, damit Ihres nichts abkriegt. Ich bin es gewohnt, allein gegen alle zu stehen. Mein Kreuz ist breit genug, um das auszuhalten. Ihres offenbar nicht. Aber damit müssen Sie leben, nicht ich.« Das hätte genügen sollen. Aber die Migräne – und nicht nur die – machte Paula so reizbar, dass sie noch eins draufsetzte. »Was immer ich mir auch habe zuschulden kommen lassen, ich kann mir immer noch im Spiegel in die Augen sehen. Können Sie das auch?«
Rambacher ballte die Fäuste, presste die Lippen zusammen und schwieg.
Paula musste seiner Selbstbeherrschung ungewollt Respekt zollen. Sie an seiner Stelle hätte als Antwort zugeschlagen. Oder auch nicht. Denn damit hätte sie ihrem Gegner den Triumph gegönnt, sie aus der Fassung gebracht zu haben. So was versuchte sie tunlichst zu vermeiden.
Sie schnappte sich eins der Fotos aus Jasmin Stojanovics »Smaragdjungfer«-Mappe, auf
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