Smaragdjungfer
über die blutige Haut gezogen worden wäre. Das Collier?
»Sehen Sie sich das hier mal an, und sagen Sie mir, was Sie davon halten«, forderte sie Rambacher auf.
Er warf ihr einen missmutigen Blick zu, verzichtete aber darauf, mal wieder auf einen höflicheren Umgangston zu pochen. Anscheinend hatte er begriffen, dass das bei Paula zwecklos war. Er stellte sich neben sie und besah sich das Bild. Paula vergrößerte den Halsbereich der Toten und deutete auf die verschmierten Stellen.
»Wonach sieht das für Sie aus?«
»Sie vermuten, das ihr jemand das verschwundene Collier vom Hals gezogen hat?«
»Sie nicht?«
»Wenn wir voraussetzen, dass sie es zu dem Zeitpunkt getragen hat, liegt der Verdacht nahe.«
»Aber wo ist es geblieben?«
»Auch wenn Ihnen das nicht gefällt, Frau Rauwolf, aber das spricht dafür, dass Kastors Aussage stimmt, dass er die Wohnung der Toten erst nach ihrem Tod betreten hat.«
»Stimmt, das gefällt mir nicht. Es ist aber leider nicht von der Hand zu weisen.«
»Das würde auch untermauern, warum er nach dem Collier gesucht hat. Nehmen wir an, er ist tatsächlich nicht der Mörder und seine Geschichte stimmt. Er trifft in der Wohnung ein, als die Frau schon tot ist. Er sieht, dass das Collier verschwunden ist. Wenn er es ihr wirklich nur geliehen hat, will er es selbstverständlich zurückhaben und sucht danach. Falls er es ihr geschenkt haben sollte, hat es entweder eine besondere Bedeutung für seine Beziehung zur Toten, oder er hat keine Lust, auf etwas so Wertvolles zu verzichten. Das spricht zwar nicht gerade für seinen Charakter, ist aber dennoch verständlich, wie ich meine.«
Paula nickte langsam. Das waren einleuchtende Argumente. »Aber dem steht entgegen, dass wir bis jetzt nicht den geringsten Hinweis darauf haben, dass vor Kastor noch jemand am Tatort gewesen sein könnte.«
»Sie sagen es: bis jetzt.« Rambacher deutete auf die verschmierten Blutspuren. »Gehen wir davon aus, dass sie das Collier zum Zeitpunkt ihres Todes getragen hat. Kastor hat es nicht, sonst hätte er nicht danach gesucht. Dann bleibt zwangsläufig nur der Schluss, dass noch jemand am Tatort gewesen sein muss. Was auch mit der unauffindbaren Tatwaffe korrespondiert.«
Noch eine logische Schlussfolgerung. Paula schüttelte den Kopf. »An dem ganzen Fall ist irgendwas oberfaul. Und dieses ominöse Collier spielt dabei offenbar eine zentrale Rolle. Falls Ihre Theorie stimmt und gleich zwei Parteien hinter dem Ding her sind – Kastor und der hypothetische, noch unbekannte Mörder und Dieb –, dann geht es vielleicht gar nicht unbedingt um den Wert.« Sie tippte Rambachers Hypothese in die Datei des Falles, um sie allen Teammitgliedern zugänglich zu machen. »Wie weit sind Sie mit der Biografie der Toten?«
»Frau Moravac führt einige Recherchen per Internet und Telefon in Belgrad durch, was die Herkunft der Toten betrifft. Sie sagt, es wird mindestens bis morgen dauern, bis sie die Antworten erhält. Die bisherigen Fakten: Frau Stojanovic kam unmittelbar nachdem sie die Belgrader Musikhochschule verlassen hat – mit Abschluss übrigens – vor acht Jahren nach Deutschland. Sie wurde vom Leiter eines Orchesters in Berlin für ein einjähriges Gastspiel angeworben, weshalb das mit dem Visum und der Arbeitserlaubnis problemlos klappte. Nach Ablauf der Befristung wechselte sie zum WDR-Symphonieorchester nach Köln. Ein weiteres Jahr später hat sie einen Deutschen geheiratet, wurde drei Jahre danach eingebürgert und deutsche Staatsbürgerin. Ein knappes Jahr später ist ihr Mann bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen. Danach hat sie den Job im Orchester aufgegeben und ist nach Wilhelmshaven gezogen. Hier war sie fast ein Jahr arbeitslos gemeldet, bis sie letztes Jahr im August bei Severin anheuerte. Ihren Geburtsnamen hat sie übrigens während der Ehe beibehalten. Bis jetzt gibt es also nichts Auffälliges.«
Und der Tod ihres Mannes erklärte hinreichend, warum sie die Musik aufgegeben hatte. Zumindest als Beruf. Wenn man einen geliebten Menschen verloren hatte, war Musik für manche Leute noch lange Zeit danach unerträglich. Zumindest Paula war es nach Christophers Tod so ergangen.
Anhaltende Arbeitslosigkeit erklärte auch, warum Jasmin Stojanovic irgendwann als Hostess ihre Brötchen verdient hatte. Andererseits: Würde eine Frau, die der Tod ihres Mannes so aus der Bahn warf, dass sie die Musik deswegen aufgab, ausgerechnet als Hostess und Callgirl arbeiten? Nicht
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