Smaragdjungfer
werden. Wahrscheinlich wollte er genau das provozieren, damit er sich über sie beschweren konnte. »Um einen Typen wie Sie an mich ranzulassen, müsste ich schon am Verhungern sein. Und glauben Sie mir, von dem Zustand bin ich sehr weit entfernt.«
»Tatsächlich?« Er strich ihr aufreizend über die Wange.
»Nehmen Sie sofort Ihre Finger von mir, oder ich brech’ sie Ihnen.« Sie musste sehr an sich halten, um ihre Drohung nicht wahrzumachen.
Er ließ die Hand sinken und starrte ihr aggressiv in die Augen. Paula starrte zurück. Der Kerl war ihr zu nahe, sein intensiver Blick bedrohlich und die ganze Situation für sie unerträglich. Sie ballte die Fäuste und stemmte breitbeinig die Füße gegen den Boden. Die Körperspannung gab ihr den Halt, den sie brauchte, um weder zurückzuweichen, noch den Blick zu senken. Dennoch hatte sie das Gefühl, als wäre eine Ewigkeit vergangen, bis Kastor endlich auf Abstand ging. Sie atmete auf und hoffte, dass ihm das nicht auffiel.
»Sie sind also gekommen, um mich schon wieder zu belästigen.«
»Im Gegenteil. Sie haben mir doch heute Morgen einen Job angeboten. Ich bin so frei zu prüfen, wie mein Arbeitsplatz aussähe, falls ich geneigt wäre, den anzunehmen.«
Er lachte trocken. »Sie haben eine seltsame Art, sich zu bewerben.« Er machte eine ausholende Handbewegung. »Sehen Sie sich ruhig alles an. Sie können auch gern die Tänzerinnen interviewen. – Sabrina!« Er winkte eine dunkelhäutige Schönheit heran, die gerade eine der beiden Bühnen verlassen hatte und sich einen seidenen Hausmantel mit chinesischem Muster überwarf. »Erzähl Frau Rauwolf ein bisschen über den Job. Alles, was sie wissen will.« Er lächelte Paula zu. »Sie entschuldigen mich. Ich habe noch eine Verabredung.«
»Was möchten Sie wissen?«, fragte Sabrina und nahm neben Paula auf einem Barhocker Platz.
Paula schwankte zwischen dem Wunsch, die Frau auszuhorchen und Kastor zu folgen. Sie entschied sich für Letzteres. Da er Sabrina einen Freibrief gegeben hatte, ihr »alles« zu sagen, was sie wissen wollte, wusste die Frau entweder nichts über Kastors dunkle Geschäfte, oder er hielt sie für so verschwiegen, dass er sich sicher war, dass sie nichts ausplauderte.
»Ich wollte mir heute nur mal ansehen, wie Sie und Ihre Kolleginnen tanzen«, wehrte Paula das Gespräch ab. »Um zu sehen, ob das was für mich ist.«
»Unbedingt«, war Sabrina überzeugt und maß Paula mit einem abschätzenden Blick von oben bis unten.
»Danke, ich überlege es mir noch mal. Wiedersehen.«
Sie eilte Kastor hinterher und sah gerade noch seinen Wagen um die Ecke nach links in die Bismarckstraße einbiegen. Sie eilte zu ihrem Auto und folgte ihm. Sie hatte schnell zu ihm aufgeholt, hielt aber genug Abstand, damit er sich nicht verfolgt fühlte. Er bog an der nächsten Hauptkreuzung nach rechts in die Paffrath-Straße ein und hielt sich Richtung Altengroden und stadtauswärts. Als er die Brücke über die A 29 überquerte, ahnte sie, wohin er wollte. Der Verdacht wurde zur Gewissheit, als er erst in die Klinkerstraße und gleich darauf in die Rostocker Straße einbog. Vor einem großen, L-förmigen Haus, das von einem sehr gepflegten Garten umgeben war, parkte er.
Paula fuhr langsam an dem Haus vorbei und sah, wie Kastor am Eingang von einem elegant gekleideten Mann begrüßt wurde: Witold Graf.
Zufrieden fuhr sie nach Hause.
»Mein lieber Jerome, schön dass Sie kommen konnten.« Witold Graf schüttelte Kastor die Hand und bat ihn mit einer Handbewegung ins Haus. »Das ist ja wirklich eine unangenehme Sache, in die Sie da hineingeraten sind.«
Kastor blickte ihn fragend an.
»Herr Dr. Jasper hat mir davon erzählt.«
»Ah ja. Ich versichere Ihnen, Witold, dass ich mit dem Mord an Jasmin nichts zu tun habe.«
Graf lächelte. »Natürlich nicht. Sie sind ein viel zu vorsichtiger Mann und würden unsere Geschäfte nicht durch solch eine Torheit gefährden.«
»Davon mal ganz abgesehen und auch davon abgesehen, dass ich ein überaus selbstbeherrschter Mann bin, hätte ich ohnehin kein Motiv.«
Graf blickte ihn seltsam an, sagte aber nichts. Er führte ihn in einen kleinen Salon und bot ihm Platz an. Unaufgefordert schenkte er zwei Gläser Wein ein, von denen er Kastor eins reichte, bevor er sich ihm gegenüber setzte.
»Dr. Jasper sagte, Sie wollten Jasmins Libellencollier an sich nehmen, als die Polizei eintraf.«
»Natürlich. Die Kette ist fast eine Million wert. Ich habe sie ihr immer nur
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