Smaragdjungfer
zurückkehrte, saß Rambacher bereits an seinem Platz. Er trug wie jeden Tag einen Anzug und ein frisch gebügeltes Hemd.
»Guten Morgen, Frau Rauwolf«, grüßte er sie wie immer förmlich.
»Moin.«
Der Kerl ging ihr auf die Nerven mit seinem korrekten Getue. Und wann würde er sich endlich mal den hier üblichen Gruß angewöhnen?
»Zu Ihrer Information, Rambacher. Ich habe gerade von Jakob grünes Licht bekommen, Kastor diskret auf den Zahn zu fühlen. Aber keine Sorge. Das mache ich auch weiterhin allein, damit Sie nirgendwo anecken müssen. Ist seit gestern Abend sowieso ein heißes Pflaster. Kastor hat mir anonym drohen lassen, dass ich es bereuen werde, wenn ich weiter gegen ihn ermittle. Ich hoffe, sein Handlanger hat ihm meine Botschaft ausgerichtet.«
Rambacher schwankte sichtbar zwischen dem Wunsch zu erfahren, was sie genau gesagt hatte, und dem Bedürfnis, sich nicht durch seine Neugier eine Blöße zu geben.
»Etwas, das ich wissen sollte?«
Gut umschifft, die Klippe. »Die Botschaft lautet: Jetzt erst recht. Gibt’s was Neues über Jasmin?«
»Ja.« Er zögerte einen Moment. »Sie hatten recht, dass mit ihrer Biografie was nicht stimmt. Zwar haben die Behörden in Belgrad, mit denen Frau Moravac telefoniert hat, die Daten der Geburtsurkunde bestätigt. Allerdings gibt es keinen Nachweis über einen Schulbesuch in Serbien. Sie taucht erst wieder auf, als sie in die Musikhochschule eintritt. Die bestätigt wiederum, dass sie bei ihnen studiert hat. Aber was war in der Zeit zwischen Geburt und Studium?«
»Gute Frage.«
»Die Personalstellen der Orchester, bei denen sie hier in Deutschland gearbeitet hat, bestätigen, dass sie dort angestellt war. Aber ich habe etwas intensiver nachgeforscht. Erstens: Auf keinem Ensemble-Foto aus der Zeit ist Frau Stojanovic zu sehen. Und ich habe mir nahezu alle angesehen, die ich im Internet finden konnte. Selbst wenn sie mal krank oder in Urlaub gewesen ist, als Fotos gemacht wurden, wäre es schon ein riesiger Zufall, wenn das bei wirklich jedem Fotoshooting der Fall gewesen sein soll. Zweitens gibt es zwar auf den Homepages der Orchester jeweils ein Porträt von ihr, wo auch die Stücke aufgelistet sind, bei denen sie als Violinistin eingesetzt war. Aber in den Programmheften ist ihr Name nicht erwähnt, im Gegensatz zu denen aller anderen Orchestermitglieder, die mitgespielt haben.«
»Sieh mal an.«
»Das ist noch nicht alles. Ich sollte auch herausfinden, ob sie mit einem ihrer früheren Kollegen über die Gründe für ihren Umzug hierher gesprochen hat. Ich habe natürlich noch nicht mit allen telefoniert, aber von denen, die ich schon erreicht habe, kann sich keiner an eine Jasmin Stojanovic erinnern. Weder in Berlin noch in Köln. Ich weiß nicht, wie das bei Ihnen ist, aber ich kann mich an die Namen fast aller meiner Kollegen erinnern, mit denen ich noch vor zwei Jahren zusammengearbeitet habe. Selbst die meiner Schulkameraden sind mir noch geläufig. Und ich habe ein ganz durchschnittliches Gedächtnis. Dass einer sich nicht mehr an Jasmin Stojanovic erinnert, wäre normal. Zwei oder drei vielleicht auch. Aber dass nicht einer von vierzehn sie mehr kennt?« Er schüttelte den Kopf.
Paula überdachte das. »Gibt es irgendwelche Informationen über den Ehemann?«
»Dessen Biografie scheint zu stimmen. Er war Verwaltungsangestellter in einem Klinikum und auf dem Weg in den Urlaub nach Mallorca, als das Flugzeug abstürzte, in dem er saß.«
»Ohne seine Frau?«
Rambacher nickte. »Ungewöhnlich, aber dafür könnte es eine plausible Erklärung geben. Aber – und hier kommen wir jetzt zur nächsten Unstimmigkeit – kein Rentenversicherungsträger im ganzen Land kennt eine Jasmin Stojanovic. Erst recht nicht die Künstlersozialkasse, bei der sie während ihrer Zeit als Musikerin versichert gewesen sein muss. Und sie hat auch nie Witwenrente bezogen, obwohl sie dazu berechtigt gewesen wäre.« Er blickte Paula in die Augen. »In Verbindung mit den anderen Unstimmigkeiten wage ich zu behaupten, dass sich da jemand verdammt viel Mühe gegeben hat, ihr einen Hintergrund zu verschaffen, der auf den ersten Blick echt erscheint. Aber wir sind die Polizei. Uns stehen ganz andere Methoden zur Überprüfung einer Person zur Verfügung als einem Otto Normalverbraucher.« Er atmete tief durch, ehe er gestand: »Selbst ich hätte ihren Hintergrund nicht so intensiv überprüft, wenn Sie das nicht angeordnet hätten. Dazu bestand ja auch eigentlich keine
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