Smaragdjungfer
Rechte kennen Sie ja. Hände auf den Rücken und keine falsche Bewegung.«
Sie hoffte, dass er sich wehren würde und ihr einen Grund lieferte, ihn zusammenzuschlagen. Da er durchtrainiert war, hatte sie möglicherweise keine echte Chance gegen ihn, besonders da sie durch ihren verletzten Arm gehandicapt war, der höllisch weh tat. Aber das war ihr egal. Sie hieß den Schmerz willkommen, weil er sie von ihrer Verzweiflung ablenkte.
Doch Kastor legte gehorsam die Hände auf den Rücken und ließ sich widerstandslos Handschellen anlegen.
»Ich bedauere den Tod Ihres Kollegen außerordentlich, Frau Rauwolf. Aber ich habe damit nichts zu tun.«
Sie riss ihn von der Wand weg und stieß ihn zur Tür. »Ich war dabei, Sie gottverdammter Lügner. Ich habe Sie mit meinen eigenen Augen gesehen!«
»Sie können mich nicht gesehen haben. Ich habe ein Alibi.«
»Ein gekauftes.« Sie schob ihn nach draußen. »Ihr Freund Graf lügt doch für Sie das Blaue vom Himmel runter. Und seine Leute sagen alles, was er ihnen vorbetet. Ihr Scheißalibi ist keinen Pfifferling wert.«
Sie packte ihn am Arm und bugsierte ihn die Treppe hinunter zum Wagen. Ihre Wunde blutete wieder, und das Blut tropfte aus dem Ärmel ihrer Jacke. Sie ignorierte es. Sie hatte nur einen vergleichsweise lächerlichen Kratzer abbekommen, aber Lukas war tot. Und sein Körper hatte Kastors zweite Kugel abgefangen, die er auf Paula abgefeuert hatte. Sonst wäre sie ebenfalls tot.
Sie stieß den Mann so heftig gegen den Wagen, dass es ihm garantiert wehtat, öffnete die Tür und drückte ihn auf den Rücksitz. Leider war er geschickt genug, den Kopf einzuziehen, den sie gegen den Rahmen zu donnern versuchte. Sie knallte die Tür zu, setzte sich hinters Steuer und fuhr los.
»Ich lüge nicht, Frau Rauwolf. Ich schwöre Ihnen, dass ich mit dem Tod Ihres Kollegen nichts zu tun habe.«
»Und ich bin der Papst. Nicht vergessen: Ich habe Sie gesehen. Und jetzt halten Sie den Mund.«
Sie bog so schwungvoll nach links in die Bismarckstraße ein, dass sie beinahe die auf Rot springende Ampel überfuhr.
»Sie können mich nicht gesehen haben, weil ich nicht am Tatort war. Frau Rauwolf, bitte …«
Paula bremste so scharf, dass Kastor nach vorn flog und sein Oberkörper halb zwischen den beiden Vordersitzen hing. Hinter ihr quietschten Bremsen und hupten die nachfolgenden Wagen. Sie scherte sich nicht darum. Sie packte Kastor am Kragen und holte mit der geballten Faust aus.
»Noch ein Wort, Arschloch, noch eine einzige Silbe, und ich schlage Ihr Gesicht zu Brei. ’Ne gute Begründung dafür wird mir schon einfallen. Aber Sie halten jetzt Ihre verlogene Klappe und antworten nur noch auf meine Fragen – auf der Dienststelle. Verstanden?«
Sie stieß ihn so heftig zurück, dass sein Kopf gegen die Seitenscheibe krachte. Er verzog schmerzhaft das Gesicht. Paula funkelte ihn an. Halb hoffte sie, dass er den Mund noch einmal aufmachen würde. Dann würde sie wohl erst wieder aufhören, auf ihn einzuprügeln, wenn er sich nicht mehr bewegte. Dass sie das dann endgültig den Job kostete, war ihr in diesem Moment völlig egal. Dass sie mit den Nerven am Ende war und nicht mehr klar denken konnte, auch.
Kastor spürte, wie ernst es ihr mit der Drohung war. Er senkte den Blick, um sie nicht zusätzlich zu provozieren. Paula wandte sich wieder nach vorn und fuhr weiter. Dabei kollidierte sie fast mit einem Wagen, der sie gerade zu überholen versuchte. Sie ignorierte das erneute Hupkonzert und raste förmlich zur Dienststelle.
Silke Moravac, die am Empfang Dienst tat, sah sie erstaunt an, ehe sie zum Telefon griff und Roemer informierte. Paula schob Kastor vor sich her die Treppe hinauf und ins Vernehmungszimmer. Sie drückte ihn unsanft auf den Stuhl.
»Und jetzt werden wir uns mal über Ihr sogenanntes Alibi unterhalten.«
»Gern. Aber wie ich schon sagte, ist mein Alibi echt. Der Mörder Ihres Kollegen sah mir vielleicht ähnlich.«
Er wirkte vollkommen ruhig. Erstaunlicherweise setzte er weder sein Pokerface auf, noch bedachte er Paula mit Spott. Stattdessen wirkte er ehrlich mitfühlend. Dieser gottverdammte Heuchler!
Bevor sie jedoch etwas sagen oder tun konnte, ging die Tür auf, und Roemer steckte den Kopf herein. »Kommst du mal kurz, Paula.«
»Nicht jetzt, Jakob. Ich –«
» Jetzt . Sofort.«
Er hielt ihr die Tür einladend auf. Ihr blieb nichts anderes übrig, als zu gehorchen. Er schloss die Tür und führte sie ein Stück zur Seite.
»Ich sehe in
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