Smaragdjungfer
Trockenboden an der Reihe. Aus dem zweiten Stock kam ihr Sigurd Fischer entgegen. Er klappte sein Notizbuch zu.
»Wir sind mit der Befragung der Nachbarn fertig.« Er verzog das Gesicht. »Sehr ergiebige Aussagen. Der Täter ist groß, klein, mittelgroß, korpulent, schlank, blond, rothaarig, brünett, Deutscher, Ausländer und trug alles Mögliche zwischen Jacke, Parka und Mantel in den Farben von hell bis dunkel. Nur in zwei Dingen sind sich alle einig: Er ist ein Mann, und er hatte eine Waffe in der Hand. Sein Gesicht kann keiner beschreiben. Zwei Frauen erinnern sich an einen dunkelroten Schal, also ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass er den getragen hat.«
»Mit anderen Worten, wir können nicht auf ein Phantombild hoffen.«
Fischer schüttelte den Kopf. »Der Mann könnte Kastor gewesen sein oder auch nicht. Da Paula ihn aber gesehen und erkannt hat, gehe ich davon aus, dass er es war. Das müssen wir ihm nur noch beweisen. Ich hoffe, ihr findet ein paar Fingerabdrücke von ihm da oben.« Er deutete zur Decke.
»Wäre hilfreich. Bis wir die neuen ausgewertet haben, die der Täter beim letzten Durchwühlen der Sachen hinterlassen hat, das dauert ein bisschen. Was wir oben finden, wäre eindeutiger. Aber so oder so, wir kriegen ihn.«
»Garantiert. Einer den Hausbewohner hat mir übrigens erzählt, dass der Trockenboden nie abgeschlossen wird, obwohl das eigentlich laut Hausordnung Vorschrift ist. Wäre er gestern zu gewesen, hätte Paula Kastor wahrscheinlich festnehmen können.«
»Oder sie wäre auch tot. Verdammte Scheiße, das mit Rambacher.«
»Amen.«
Maja nickte Fischer zu und ging nach oben. Der Trockenboden war am Tag nicht mehr stockfinster, weil durch die schmalen, verglasten Luken im Dach etwas Licht fiel. Trotzdem wirkte er düster und vermittelte eine Atmosphäre, die jedem Gruselfilm Ehre gemacht hätte. Wozu nicht zuletzt das Gerümpel beitrug, das spinnenwebenverklebt in einer Nische gestapelt war.
»Ich wette, es ist laut Hausordnung auch verboten, hier Sperrmüll zu lagern«, war Maja überzeugt. »Immerhin wissen wir so, auf welche Ecke wir unsere Arbeit konzentrieren müssen.«
»Wenigstens etwas«, stimmte ein Kollege ihr zu und schaltete die Deckenbeleuchtung ein.
Eine nackte Glühbirne verbreitete grelles Licht. Das Team machte sich an die Arbeit und begann bei der Wand hinter der löcherigen Matratze, die dort halb schräg lehnte, wie Paula es Roemer beschrieben hatte. Zwei Kollegen legten sie zur Seite, um darauf nach Faserspuren und verwertbarem DNA-Material zu suchen.
»Ja, was haben wir denn hier!«
Unter der Matratze lag ein Messer. »Ein Muela Ranger 12. Passt zu den Stichwunden.« Maja lächelte zufrieden. »Und wie es aussieht, ist ein schöner Fingerabdruck darauf. Ich wette, wir finden auch noch Blutspuren von Jasmin Stojanovic daran. Raffiniert vom Mörder, das Ding hier oben zu deponieren. Und ziemlich dumm von ihm, sich dann genau hier verstecken zu wollen. Hätte er das nicht getan, hätten wir hier kaum gesucht. Macht ihr hier weiter. Ich bringe das Ding sofort zur Dienststelle und überprüfe die Abdrücke.«
Jakob Roemer versuchte zum wiederholten Mal, Paula telefonisch zu erreichen. Einerseits wollte er natürlich erfahren, ob sie beim Arzt gewesen war und sich hatte krankschreiben lassen. Zum anderen hatte sie bei ihrem überstürzten Abgang heute Morgen ihre Dienstwaffe mitgenommen. Die wollte er in ihrem gegenwärtigen Zustand auf keinen Fall in ihrer Nähe wissen.
Aber wo immer Paula sich gerade aufhielt, was immer sie tat, sie hatte ihr Handy ausgeschaltet. Und bei ihr zu Hause meldete sich nur der Anrufbeantworter. Außerdem war es jetzt Zeit für die Dienstbesprechung.
Als er den Besprechungsraum betrat, waren fast alle schon da. Unmittelbar nach ihm drängte sich Maja Küster herein. In der Hand hatte sie einen Asservatenbeutel mit einem Messer. Sie hielt es hoch und blickte triumphierend in die Runde.
»Wir haben ihn, Leute. Dieses Messer ist zweifelsfrei die Tatwaffe, und die Fingerabdrücke darauf gehören eindeutig Kastor. Er hatte das Ding auf dem Trockenboden im Haus des Opfers versteckt.«
Roemer wirkte erleichtert. »Schafft mir Kastor her. Ich bin gespannt, was er dazu zu sagen hat.« Er selbst griff zum Handy, um Breitenbach zu informieren und danach beim Richter einen Haftbefehl zu beantragen.
Endlich war der Durchbruch geschafft und die Festnahme des Täters nur noch eine Frage sehr kurzer Zeit.
Roemers Hochstimmung währte
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