Smaragdjungfer
Menschenverstand gezeigt und rausgeweint hast, was dich schon viel zu lange belastet hat.« Er hob mahnend den Zeigefinger.
Paula klappte den Mund wieder zu, drückte Kalle innig an sich, gab ihm einen Kuss auf die Wange und verschwand im Badezimmer.
Das Telefon klingelte. »Lüders.« Er lauschte einen Moment und schaltete den Apparat auf den Lautsprecher.
»Ein Kunde hat mir das Collier angeboten mit dem Auftrag, es zu verkaufen. Wie schnell kann Ihr Käufer zahlen?«
Kastor signalisierte ihm »sofort«.
»Bevor wir zu diesem Punkt kommen, muss ich das Stück natürlich erst mal begutachten. Ob alle Steine echt sind, die Fassungen tatsächlich aus Gold und die Verarbeitung keine Fehler aufweist, die den Wert schmälern. Je schneller ich es zu sehen kriege, desto schneller bekommt Ihr Kunde sein Geld. Noch heute Abend, wenn alles seine Richtigkeit hat.«
Einen Moment war es still in der Leitung. »Einverstanden. Ich komme in spätestens einer Stunde mit dem Collier und meinem Kunden zu Ihnen in den Laden. Kann Ihr Käufer dann auch vor Ort sein?«
»Kein Problem. Bis in einer Stunde also.«
Kalle unterbrach die Verbindung und sah Kastor an. »Was mache ich, wenn der Typ kommt? Ich nehme nicht an, dass Sie tatsächlich eine Million in bar mit sich herumschleppen?«
»Nein. Und das ist auch nicht nötig. Wenn die beiden kommen, tun Sie, was Sie gerade gesagt haben. Sie prüfen das Collier Stein für Stein auf seine Echtheit. Paula und ich sitzen derweilen im Hinterzimmer am Bildschirm der Überwachungskamera und sehen uns den Verkäufer an. Wenn es der ist, den ich in Verdacht habe, entscheiden wir, auf welche Weise wir ihn und den Hehler festnehmen. Seien Sie nur vorsichtig, Herr Lüders, und benehmen Sie sich ganz genau so, wie Sie sich normalerweise in solch einer Situation verhalten. Wenn der Kerl wirklich mein Verdächtiger ist, dann ist er bewaffnet und wird ohne zu zögern von der Waffe Gebrauch machen.« Er sah ihm ernst in die Augen. »Und ich glaube, Paula erträgt nicht noch einen persönlichen Verlust.«
»Ich passe schon auf mich auf.«
Paula kam ins Wohnzimmer und Kalle stand auf. »Ich lege dir das Bettzeug in dein Zimmer, Wölfchen.« Er blickte von ihr zu Kastor und wieder zurück. »Schlaft ihr im selben Zimmer, oder …«
»Nein!«, wehrten beide unisono ab, was Kalle zu einem amüsierten Grinsen veranlasste.
»Dann also die Couch für Herrn Kastor.«
Kalle ging ins Schlafzimmer. Paula setzte sich in den Sessel, den er gerade geräumt hatte und starrte stumm auf die Tischdecke.
»Alles okay?«, fragte Kastor und korrigierte sich gleich selbst. »Natürlich ist im Moment nichts wirklich in Ordnung für Sie. Ich meinte mit meiner Frage, ob ich irgendwas für Sie tun kann.«
»Ja. Machen Sie die letzten zwanzig Stunden ungeschehen. Noch besser die letzten vier Tage seit Mittwochmorgen ungefähr neun Uhr.«
»Ich würde nichts lieber tun als das, Paula. Und ich gäbe eine Menge darum, wenn ich das könnte.« Er beugte sich vor und legte ihr eine Hand auf den Arm. »Wollen Sie mir erzählen, was gestern passiert ist? Es hilft, wenn man darüber redet.«
Paula berichtete ihm im Telegrammstil. Zu mehr war sie nicht fähig. Hinterher schloss sie die Augen, vergrub das Gesicht in den Händen und musste ihre ganze Willenskraft aufbringen, um nicht wieder in Tränen auszubrechen. Oh Gott, sie war gerade mal drei Tage wieder im Dienst, und schon war der nächste Kollege tot. Natürlich würde man ihr wieder die Schuld daran geben. Kastor tätschelte mitfühlend ihre Schulter.
»Bedauerlicherweise gibt es keinen Trost, wenn man einen Kollegen verloren hat. Besonders nicht, wenn man ihn hat sterben sehen.«
Sie nickte. Zögernd nahm sie die Hände vom Gesicht und blickte ihm in die eisblauen Augen. »War … war das meine Schuld?«
Er schüttelte nachdrücklich den Kopf. »Absolut nicht. Sie haben sich vollkommen korrekt verhalten. Sie wissen, dass es einen Maulwurf in Ihrer Dienststelle gibt und hatten den sehr berechtigten Verdacht, dass er nach einer Sicherungskopie suchen oder jemanden deswegen schicken würde. Was sich als vollkommen zutreffend erwiesen hat. Sie haben den einzigen Kollegen mitgenommen, von dem Sie mit Sicherheit wussten, dass er nicht der Maulwurf sein kann. Keiner von Ihnen konnte damit rechnen, dass jemand ausgerechnet zu der Zeit vor Ort sein würde, als Sie dort ankamen. Nach Ihrer Schilderung haben Sie sich in keiner Weise so verhalten, dass Sie Ihren Kollegen in
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