Smaragdjungfer
größere Gefahr gebracht haben, als sie in dieser Situation ohnehin schon bestand.«
Paula schnaubte sarkastisch. »Man wird mir trotzdem die Schuld geben. Und jetzt wird endgültig keiner mehr mit mir arbeiten wollen.« Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Sie zwinkerte sie hastig weg. Kastors Hand lag immer noch auf ihrer Schulter und fühlte sich warm und tröstlich an.
»Doch. Ich.«
»Was?« Sie sah ihn verständnislos an.
»Ich würde gern mit Ihnen arbeiten. Falls Sie in Betracht ziehen könnten, nach Wiesbaden ins BKA zu wechseln.«
Sie runzelte finster die Stirn und schüttelte seine Hand ab. »Verarschen kann ich mich alleine.«
»Das ist mein Ernst, Paula. Sie besitzen eine Menge wertvoller Qualitäten. Sie haben einen scharfen Blick fürs Detail. Sie sind kreativ und innovativ. Sie lassen sich nicht beirren, auch wenn niemand Ihre Meinung teilt. Und letztendlich ist Ihre persönliche Beziehung zu den Roma von unschätzbarem Wert. Die reden normalerweise nicht mit der Polizei. Mit Ihnen schon. Sie haben innerhalb eines einzigen Tages rausgefunden, dass Jasmin gar nicht zu ihnen gehörte. Sie sprechen sogar deren Sprache. Wirklich, Paula, Ihre Talente sind hier verschwendet. Wenn Sie wollen, werden wir Sie offiziell für uns anfordern.«
Paula starrte ihn ungläubig an. Das konnte doch nur ein Scherz sein. Ein ziemlich übler für ihren Geschmack. Doch Kastor erwiderte ihren Blick vollkommen ernst.
»Hätten Sie denn keine Angst, dass Sie der nächste meiner Kollegen sind, der auf der Strecke bleibt?«
Er schmunzelte. »Sie sind doch kein Unglücksbringer. Und nein, diese Befürchtung hätte ich absolut nicht.«
Sie zögerte. Das Angebot war nicht nur eine große Ehre, da beim BKA nur die Besten der Besten arbeiteten. Es war auch eine verlockende Lösung ihrer beruflichen Probleme. Nach Lukas’ Tod würde sogar Jakob darauf bestehen, dass sie sich versetzen ließ. Wahrscheinlich war er sogar schon dabei, ihr Gesuch vorzuformulieren, sodass sie es nur noch zu unterschreiben brauchte.
»Sie müssen sich nicht sofort entscheiden. Denken Sie in Ruhe darüber nach. Davon abgesehen, müssen Sie sich erst mal von der ganzen Sache hier erholen. So was steckt man nicht so einfach weg.«
»Wie wahr.« Sie sah ihn nachdenklich an. »Wie viele Kollegen haben Sie schon verloren?«
»Von denen, mit denen ich direkt zusammengearbeitet habe, sind es mit Jasmin fünf. Dazu kommen noch etliche, die ich nur vom Sehen kannte. Und es wird niemals leichter, damit fertig zu werden.«
»Wie schaffen Sie es, immer weiterzumachen?«
Er legte ihr wieder die Hand auf die Schulter. »Gerade deswegen. Wir machen weiter für die, die wir verloren haben, weil sie das nicht mehr können. Wir sorgen mit unserer Arbeit dafür, dass sie ihr Leben nicht umsonst gelassen haben. Ich stand beim ersten Mal genau vor derselben Entscheidung wie Sie jetzt. Ein Kollege war bei einem Einsatz buchstäblich in meinen Armen gestorben, während ich noch Erste Hilfe zu leisten versucht habe. Das hat mich tief erschüttert. Ich dachte, ich könnte den Job nie mehr erledigen.«
»Und?«
»Abgesehen von dem dringenden Bedürfnis, vorher wenigstens noch die Verantwortlichen für seinen Tod zur Rechenschaft zu ziehen, hatte ich das Gefühl, dass ich alle zukünftigen Opfer dieser Verbrecher im Stich lasse, wenn ich aufgebe. Das konnte ich einfach nicht. So wenig wie Sie.« Er sah ihr ernst in die Augen. »Es ist nach so einem Erlebnis nie leicht, sich wieder zu fangen. Aber man bringt uns, die wir im Außendienst arbeiten und oft in Situationen geraten, die uns an die Grenzen unserer physischen und psychischen Leidensfähigkeit bringen, eine wichtige Strategie bei, mit der wir das bewältigen können.«
»Nämlich?«
»Das Wissen, dass allein unser Wille entscheidet, ob wir Erfolg haben oder versagen. Wenn man sich mit dem sprichwörtlichen eisernen Willen hinter eine Sache klemmt, dann kann man nahezu alles bewältigen. Auch ein schweres Trauma. Selbst wenn das einige Zeit dauert und ich zwischendurch immer wieder das Gefühl habe, dass ich nicht weiterkann. An dem Punkt setzt der Wille ein. Und am Ende schaffe ich es dann.« Er zuckte mit den Schultern. »Mit Sicherheit werde auch ich eines Tages damit an eine persönliche Grenze kommen. Aber bis es soweit ist, bleibe ich am Ball. Auch wenn ich manchmal eine Auszeit und ein paar Intensivsitzungen beim Psychologen brauche, bevor ich weitermachen kann.« Er blickte sie fragend an.
»Sie
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