Smart Magic
leuchtendes Rot verwandeln.
Aber ihr Ziel war nicht der Fels selbst, sondern der große Kreis, den die Menschenmenge an seiner Flanke gebildet hatte. Als sich die Nachricht von der Ankunft des Weltenwechslers im Winterlager verbreitet hatte, mussten sehr viele beschlossen haben, der Versammlung beizuwohnen. Daran, dass manche gekommen waren, um den Gesandten der Magatai reden zu hören, wollte Matani nicht denken. Über der Versammlung schwebten einige sorgfältig angepflockte traditionelle Drachen aus bunt angemaltem, leichtem Leder. Sie sollten die Verbindung zwischen Steppe und Himmel symbolisieren und die Kraft des Windes auf jene herabrufen, die seiner Weisheit bedurften.
Als sich Tom an Matanis Seite der Versammlung näherte, ging ein Raunen durch die Menge, ein Flüstern aus vielen Kehlen: »Der Weltenwechsler!«
Unsicher nestelte Tom an seinem Kragen, aber Matani griff beruhigend nach seiner Hand und versicherte ihn stumm ihrer Unterstützung. Vor ihnen öffnete sich eine Gasse zwischen den Menschen, und sie gingen langsam in den Kreis. Alle Augen ruhten auf ihnen, die meisten neugierig, freundlich, andere misstrauisch oder gar feindlich.
Die Anführer der Stämme saßen im inneren Kreis der Versammelten, umgeben von den Ältesten. Matani erblickte einige bekannte Gesichter, aber auch welche, die sie noch nie bewusst gesehen hatte. Endlich entdeckte sie ihren Vater und hielt mit Tom auf die Mitglieder ihres Stammes zu. Sie setzten sich zwischen Beram und Atin.
»Ich habe angekündigt, dass du auch das Wort ergreifen wirst, Tom. Niemand hat widersprochen.«
»Das ist gut.« Tom schluckte. »Soll ich gleich …?«
»Nein, erst redet der Gesandte.«
Matani warf einen suchenden Blick in die Runde und fand den Magatai direkt bei Isfar und seinen Leuten. Natürlich. Es war ein gut aussehender Mann, noch jung, mit langem, dunklem Haar und schwarzer Kleidung, die so fein gewebt war, dass sie seinen schlanken Leib wie ein Schatten umschmeichelte. Grüblerisch fuhren seine Finger über sein Kinn. Er beobachtete Tom. Als er Matanis Blick bemerkte, neigte er grüßend den Kopf. Dabei umspielte ein feines Lächeln seine Lippen.
Mit einem Ruck stand er auf und trat einen Schritt vor. Einen kurzen Moment lang waren noch die versammelten Menschen zu hören, dann erhob er seine Stimme, und alle schwiegen. Er sprach laut und deutlich, in einem angenehmen Tonfall, in dem kein Arg zu liegen schien.
»Stämme des Gräsermeers. Ich bedanke mich für eure Gastfreundschaft. Ihr erweist mir eine große Ehre, mich heute und hier, an diesem heiligen Ort, in eurer Mitte zu empfangen. Dass ich zu euch sprechen darf, erfüllt mein Herz mit Stolz.«
Gemessenen Schrittes ging der Gesandte in die Mitte der Versammlung. Er bewegte sich würdevoll und elegant, fuhr mit den Händen durch die Luft, um seine Worte zu unterstreichen und ihnen mehr Bedeutung zu verleihen.
»Wow«, murmelte Tom mit großen Augen. »Der ist gut.«
»Mein Name ist Atonyn. Ich überbringe euch eine Botschaft des Friedens, gesandt von meinem Herrn, dem Sar’thosa selbst. Schon viel zu lange schweigen unsere beiden Völker, anstatt miteinander zu reden. Wir wünschen, ein Band der Freundschaft zu knüpfen, ein neues Band, fest und stark. Wenn ihr zustimmt, werden wir auf ewig Verbündete sein, nein viel mehr: Unsere Völker werden Freunde sein, voll der Achtung und des Respekts voreinander.«
»Ihr wollt die Stämme angreifen«, rief Tom und sprang auf. Er deutete anklagend mit dem Zeigefinger auf den Magatai: »Du bist ein Lügner!«
Der Gesandte hob eine Augenbraue und sah sich fragend um. Er breitete die Hände aus.
»Ich spreche jetzt, mein Junge«, erklärte er von oben herab in einem Ton, der Matani die Fäuste ballen ließ. »Warte, bis du an der Reihe bist.«
»Nein.«
»Das sind die Regeln der Stämme. Man spricht nacheinander. Einer nach dem anderen. So ist es Brauch«, erklärte Atonyn, als habe er es mit einem störrischen Kind zu tun.
»Ich gehöre keinem Stamm an. Ich komme aus der anderen Welt. Ich lasse deine Lügen nicht ohne Antwort.«
»Ah, du bist der gerühmte Weltenwechsler«, stellte der Gesandte fest und ging um Tom herum, wobei er ihn abschätzig musterte. »Man hört so viel von dir.« Abrupt wandte er sich ab. »Aber jetzt sollte man von dir nichts hören, jetzt solltest du schweigen. Denn jetzt spreche ich für den Sar’thosa.«
»Du lügst für ihn«, warf Tom ihm wütend vor. Er schien vergessen zu haben, dass ihn
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