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Smart Magic

Smart Magic

Titel: Smart Magic Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hardebusch
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wohl niemand in die ollen Sneaker schauen. Er lauschte kurz, konnte aber nichts hören, also nahm er die Münze heraus und sah sie an. Das kleine Stück Metall war der Beweis dafür, dass er nicht durchdrehte. Sie war erstaunlich schwer, aber vielleicht kam ihm das auch nur so vor, weil sie so wichtig war. Bei genauerem Hinsehen war er nicht sicher, was für ein Tier auf der Vorderseite zu erkennen war; es war bestimmt eine Raubkatze, aber was für eine?
    Die Münze wirkte alt, das Metall war leicht abgegriffen, und hier und da waren Kratzer zu sehen. Sie war unregelmäßig geformt und so ganz anders als die Euromünzen, die Tom sonst kannte.
    Tom drehte und wendete die Münze und ließ das Licht aus verschiedenen Winkeln darauf fallen. Seit er sich eingestanden hatte, dass es tatsächlich keine einfache Erklärung für all das gab, was in letzter Zeit mit ihm passiert war, fühlte er sich seltsam befreit. Es ging ihm nun besser als in den Tagen, nachdem er erfahren hatte, dass er ein Findelkind war. Vielleicht hängt das ja zusammen. Irgendwie … keine Ahnung. Auf Facebook hatten immer wieder mal Leute überlegt, ob zwischen beidem irgendeine schräge Verbindung bestehen könnte.
    Die Sonne schien durch das Fenster und wärmte Toms Haut. Apropos Facebook: Er nahm sein Handy und checkte kurz FB und Twitter. Er hatte seinen Freunden ja vom Fund der Münze berichtet, und jetzt schlugen ihm William und Claude vor, doch einfach mal die Münze zu nehmen und sich auf sie zu konzentrieren. Es war eine ziemlich vage Idee, aber nach allem, was ihm in den letzten Wochen passiert war, fand er es nicht besonders schwer, sich darauf einzulassen. Nicht mal annähernd. Und wenn jemand von den anderen das abgedreht findet, sei’s drum.
    Für die Leute online ist das alles nur ein Spiel, grübelte Tom. Die stecken aber auch nicht mittendrin! Ach, was soll’s. Es wird schon nicht mehr passieren, als dass ich mich bescheuert fühle.
    Er legte die Münze auf seine Handfläche und sah sie ganz genau an, registrierte jede Kerbe, jede Unebenheit. Nichts geschah. Nicht überraschend, dachte Tom, gab aber dennoch nicht auf. Er ballte die Hand um die Münze zur Faust, schloss die Augen und versuchte irgendwie daran zu denken, dass die Münze ihm den Weg weisen sollte. Es dauerte eine Weile, bis er aufhörte, sich ziemlich albern vorzukommen, und auch danach passierte erst mal gar nichts.
    Fast wollte er aufgeben, als er ein unbestimmbares Gefühl verspürte. Zuerst hielt er es für Einbildung, ausgelöst durch sein Begehren, hinter das Rätsel der Münze zu kommen, aber dann wurde ihm bewusst, dass es tatsächlich ein seltsames Sehnen war. Den Wunsch, einfach woanders zu sein, hatte er in den Jahren bei dem Alten oft genug verspürt. Nur diesmal war er stärker, und er wuchs in ihm, bis er alles andere überlagerte. Und mit einem Mal wusste Tom, wohin er gehen musste.
    Hastig sprang er auf und schlüpfte in die Turnschuhe. Er schob die Münze in die Hosentasche, riss seinen Sweater vom Stuhl und zog ihn an, während er durch den Flur lief und die Treppe hinunterpolterte, wobei er immer drei Stufen auf einmal nahm.
    Beinahe wäre er aus der Tür hinaus gewesen, aber eine Stimme aus der Küche hielt ihn zurück. »Tom?«
    Es war nicht der Alte, sondern Eva, die Frau, die alle Mutter nennen sollten. Sie stand in der Küchentür und wischte sich die Hände an der Schürze ab. Tom winkte ihr zu.
    »Ich koche gerade«, erklärte sie mit brüchiger Stimme. »Das Essen ist gleich fertig.«
    Ihr Gesicht war verhärmt, und ihre grauen Haare hatte sie zu einem unordentlichen Knoten hochgesteckt. Sie trug stets alte Kleidung. Hinter ihr schlabberte der Pitbull Tyson lautstark Wasser aus einer Schale. Die beiden, Frau und Hund, blieben nach Möglichkeit in ihrem Zimmer. Die alte Frau war krank und verbrachte jede Minute, in der sie sich nicht um den großen Haushalt kümmerte, in einem abgewetzten Ohrensessel vor dem Fernseher. Irgendwie tat sie Tom leid; sie war mit einem Sadisten verheiratet und musste trotz ihrer Schmerzen immer noch schuften. Tom war sich sicher, dass sie nichts davon ahnte, wie der Alte die Kinder und Jugendlichen behandelte. Sie war eine liebe, naive Frau.
    Deshalb lächelte er freundlich und setzte seine beste Familienserien-Miene auf.
    »Danke! Ich komme später wieder und mache mir was warm.«
    Sie nickte und wandte sich ab. Im Vorbeigehen bückte sie sich langsam und offensichtlich unter Schmerzen, um Tyson den Kopf zu

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