Smart Magic
würden sich all seine Facebook-Freunde über die Bilder von ihm bei diesem unfreiwilligen Herr-der-Ringe-Casting totlachen.
Aber nichts von alldem geschah. Als Alex wieder auf seinen Daumen schaute, war dort immer noch eine winzige rote Linie zu sehen. Er führte die Hand an die Lippen und leckte darüber. Das Blut schmeckte metallisch, und der Schnitt tat ganz leicht weh. Er träumte nicht.
»Bitte, Herr«, drängte Ajun. Echte Angst lag in der Stimme des Jungen. Alex kannte diesen Tonfall. Er hatte ihn oft genug bei Tom, bei Benny, bei sich selbst gehört. Und ebenso, wie sie sich zu Recht vor dem Alten fürchteten, hatte auch Ajun allen Grund, Angst zu haben. Die Striemen auf seiner Wange bewiesen es.
Dies hier war insgesamt kein Scherz. Was immer hier ablief, war ziemlich real, und Alex schätzte, dass er froh sein konnte, wenn er je wieder auch nur irgendetwas auf Facebook schreiben würde.
Egal, wie gern er in das Bett zurückgekrochen wäre, egal, wie gern er einfach geschrien und gegen die Wand getrommelt hätte, im Augenblick blieb ihm nichts anderes übrig, als mitzuspielen, was immer hier für ein Spiel gespielt wurde.
Er nahm die Klinge entgegen und steckte sie in die Lederschlaufe. Ajun nickte zufrieden.
»Ich hole Jarkas«, verkündete er und ließ Alex zurück.
Alex seufzte tief. Er ging zum Fenster hinüber und stieß die hölzernen Läden auf, durch deren Verzierungen das Licht ins Zimmer gefallen war. Dann stützte er sich auf das Fenstersims, um hinauszusehen.
Draußen war es heiß und stickig. In etwa so wie an einem wirklich heißen Augusttag in Berlin. Die flirrende Hitze drang zu Alex hinauf und hüllte ihn ein wie eine zu warme Decke. Er schloss für einen kurzen Moment die Augen. Als er sie wieder öffnete, sah er vielleicht drei Stockwerke unter sich die Stadt, in der er sich befand. Der Anblick war ein totaler Schock.
Okay. Das muss verdammt weit weg sein. Nicht Arabien. Oder China. Oder sonst wo in Asien.
Häuser mit Türmen und Giebeln aus schmutzig weißem Sandstein säumten Straßen, die bloß aus Lehm und Staub zu bestehen schienen. Die Wege wurden von allen möglichen Karren und Kutschen befahren, von denen die modernsten aussahen, als stammten sie aus dem vorletzten Jahrhundert. Vor die meisten dieser Fuhrwerke waren Esel oder Pferde gespannt.
Die Straßen und Plätze, die Alex sehen konnte, waren voll mit Menschen. Sie grüßten sich, schimpften mit ihren Kindern oder lachten. Manche redeten in einer Sprache, die Alex nicht verstand, aber die meisten Leute verstand er problemlos.
Alex sah Frauen und Kinder, die ebenso dunkelhäutig wie Ajun waren, aber auch extrem hellhäutige Menschen und alle Hautfarben dazwischen. Die Kleidung der meisten schien recht einfach und der drückenden Hitze angepasst. Aber es gab auch prunkvolle Gewänder, Rüstungen aus Metall und farbenprächtige Kleider, und Alex war sich ziemlich sicher, dass unter ihm gerade jemand in einer Sänfte vorbeikam, getragen von sechs Männern in roten Roben.
Die ganze Stadt wirkte durch und durch … alt. Alt und sehr fremd.
Sie sah überhaupt nicht wie ein Ort aus, der in irgendeinem Land lag, das er kannte.
Sie sah aus wie aus einer verdammten anderen Welt.
Die Stimme des Raben
Die Stimme des Raben
»Was sind Magatai?«
Matani stutzte. Tom schien die Luft zu fragen, er sah sie nicht an, und sie war nicht sicher, ob er mit ihr sprach. Dennoch antwortete sie. »Die Magatai sind die Schwarzen Herren. Wie die Jäger und die Reiter im Lager. Sie sind Fremde, die von jenseits des Meeres kamen, vor langer Zeit.«
»Warum sollten die mir den Weg hierher zeigen?«
Forschend blickte Matani ihn an. Er hielt noch immer das magische Kästchen in der Hand, aus dem die Musik gekommen war, sah irritiert aus und blickte nun abwechselnd von seinem Raben zu ihr.
»Ich weiß nicht, was du meinst«, gestand sie. »Den Weg hierher?«
»Der Rabe hat gesagt, dass sie mir den Weg hierher gewiesen haben.«
»Ah. Es ist unhöflich, nur unter sich zu sprechen, wenn jemand anders dabei ist.«
Der Rabe hüpfte ein, zwei Schritte zur Seite und legte den Kopf schief. Matani sah ihn strafend an.
Es tut mir leid, und ich bitte um Verzeihung. Er sandte seine Worte in ihren Geist, und sie ließ die Verbindung zu, obgleich sie wusste, dass die Füchsin es nicht gern sah, wenn sie so mit anderen Begleitern sprach.
Aber ein verstohlener Blick zeigte Matani, dass ihre Gefährtin im Moment mit großer Neugier die Dinge
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