Smart Magic
die Kraft rauben und ihn töten, sodass ihre furchtbaren Zauber mehr Macht haben. Ihr solltet euch schämen, so etwas auch nur vorzuschlagen.«
Zu seinem Erstaunen sah Tom, dass ihre Worte Wirkung zeigten. Der Jäger und die Frau mit dem Kind wechselten einen Blick, dann nickte der junge Mann dem Häuptling zu und nahm wieder seinen Platz beim Feuer ein. Nach und nach setzten sich alle wieder hin, die vorher die Stimme erhoben hatten, und sahen erwartungsvoll den Da’ir an. Auch Matani nahm wieder Platz. Tom sah, dass ihr Vater sie mit einem seltsamen Blick bedachte. In seinem Gesicht zeigten sich in gleichem Maße Stolz und Sorge.
»Gut«, erklärte Beram. »Wir werden also sowohl den Rabenjungen als auch den Troll mitnehmen. Wie rasch können wir die Begrah-Herden zusammentreiben und ins Winterlager aufbrechen?«
Während der Da’ir und die Hirten über Weidegründe und Begrah-Tränken sprachen, wandte Tom sich an Matani: »Das war ja knapp. Vielen Dank für deine Hilfe!«
»Ach was.« Matani winkte ab. »Viele von meinen Leuten reden bloß gern. Ich glaube nicht, dass sie dich wirklich zurückgelassen hätten.« Sie kaute an ihrer Unterlippe, und Tom fragte sich unwillkürlich, ob sie sich ihrer Sache wirklich so sicher war, wie sie vorgab.
»Was ist das Winterlager?«, fragte er, um vom Thema abzulenken.
»Immer bevor die Stürme kommen, ziehen wir tiefer in die Steppe hinein. Dort gibt es einen heiligen Ort, einen Felsen, der weit über das Gräsermeer hinausragt. Die Stämme versammeln sich in seinem Schatten. Bei diesem Treffen wird alles besprochen, was besprochen werden muss. Hochzeiten zwischen den Stämmen werden vereinbart, begangen und gefeiert, und falls es Zwist zwischen den Stämmen gibt, wird dieser vor die große Versammlung getragen und von den Anführern entschieden. Wir können die Kinder kennenlernen, die über das Jahr geboren wurden, und gemeinsam um die Toten trauern. Begrah und Pferde für die Zucht werden getauscht und verkauft. Beim großen Rennen können die schnellsten Reiter die Anerkennung aller Stämme gewinnen. Ganz zuletzt feiern wir ein großes Fest miteinander, das mehrere Tage dauert. Dann verteilen sich die Stämme wieder, wegen der Tiere, aber alle bleiben in der Nähe des heiligen Felsens.«
»Ah, ein Powwow«, sagte Tom, der sich plötzlich an ein Was-ist-Was-Buch erinnerte, das er vor x Jahren gelesen hatte. Matanis Stirnrunzeln übersah er geflissentlich. »Wie viele Stämme gibt es denn?«
»Viele. Von den kleinen Stämmen wie dem unseren gibt es sogar sehr viele. Größere weniger. Früher haben alle Anführer auf den Rat und die Weisheit des Königs gehört …«
»Ich dachte, ihr hättet keinen mehr«, warf Tom ein. »Wegen der ätzenden Magatai«, fügte er rasch hinzu.
»Aber es gab noch lange Zeit Älteste aus der Linie des letzten Königs. Sie gehörten zu keinem Stamm, sondern bildeten mit ihrem Gefolge eine eigene Gemeinschaft. Die besten und stärksten Jäger wurden von ihnen gerufen. Sie lebten um den heiligen Felsen herum, und wenn es Streit zwischen zwei großen Stämmen gab, schlichteten sie die Zwistigkeiten. Niemand war gezwungen, ihrem Wort zu folgen, aber es hatte großes Gewicht. Doch der letzte Nachfahre des Königs wurde ermordet, im Winterlager.«
»Wie ist das passiert?«, erkundigte sich Tom. Bestimmt die Magatai. Ein Überfall oder Assassinen oder so. Er konnte sich gut vorstellen, dass die Magatai auch zu feigen Methoden griffen und jemanden heimlich umbringen ließen.
»Einer der Anführer hat den Eid des Friedens gebrochen.« Matani schluckte, als ob es ihr schwerfiel, ihren Ärger zu beherrschen. »Niemand darf im Winterlager Blut vergießen. Selbst Stämme, zwischen denen es eine Fehde und viel Hass gibt, halten sich daran. Aber nicht er … er hat seine Hand gegen den letzten Nachfahren erhoben.«
»Isfar«, schlussfolgerte Tom, der sich an ihre früheren Unterhaltungen erinnerte. »Deswegen heißt er bei euch Eidbrecher.«
»Ja. Er ist der Anführer eines großen Stammes. Viele Tausend folgen ihm. Sie ziehen nahe der Küste umher. Es heißt, dass Isfar mit den Magatai Geschäfte macht und ihr Verbündeter ist.«
»Ich wusste es! Die Magatai stecken dahinter. Sie haben ihn dafür bezahlt …«
Tom sah, dass Matani den Kopf schüttelte, und hielt inne.
»Nein, das glaube ich nicht. Hätte er im Auftrag der Schwarzen Herren gehandelt, dann hätte ihn auch sein ganzer Stamm nicht schützen können. Die Anführer ließen ihn
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