SMS aus dem Grab
Peter wieder bekannt vorkam: Seitlich vor ihm lag der Hang mit der Zitadelle, die sie am späten Morgen besucht hatten. Doch bevor sich Peter darüber Gedanken machen konnte, bog das Fahrzeug erneut ab und verlor sich in einem Straßengewirr, das durch lauter flache, verwahrloste Behausungen führte, die meist eher einem notdürftigen Unterschlupf ähnelten als einem Haus.
Peter wusste, was das für eine Gegend war. Alaa Edine hatte ein paar Sätze darüber verloren, als sie zusammen zur Moschee gefahren waren: Er befand sich auf dem Friedhof von Kairo.
SMS aus dem Grab
Es war ein islamischer Friedhof, der, anders als die Friedhöfe, die Peter von Zuhause kannte, aus einzelnen, mit flachen Unterkünften bebauten Parzellen bestand. Sie gehörten jeweils einer Familie und waren aus der Not heraus zum Teil sogar bewohnt. Peter kam es vor, als wäre er in eine andere Welt eingetaucht. Von einem Moment auf den anderen war das lebendige Brodeln von Kairo von ihm gewichen, als würden sich die Toten vor aller Betriebsamkeit schützen. Doch auch dieser Eindruck löste sich, und dann und wann wurde das stille Bild der Straßen von einer alten Frau unterbrochen, die aus dem Haus trat, von einem verloren spielenden Kind, oder auch von einem Taxi, das neugierige wie argwöhnische Touristen transportierte.
Was hatten die Entführer hier mit Layla vor?
Der Lieferwagen bog noch ein paar Mal ab, dann blieb er neben einem der kleinen Hauseingänge am Straßenrand stehen. Ein paar Kinder, die auf der Straße Fußball gespielt hatten, rannten weg. Jetzt hieß es schnell sein: Mit einem Blick schätzte Peter die Umgebung ab, sprang auf die Straße und huschte zurück. In dem Eingang, vor dem der Lieferwagen geparkt hatte, konnte er sich nicht verstecken: Dorthin würden die Entführer wahrscheinlich Layla verschleppen. Also wählte er das benachbarte Haus, das zu seiner Rechten lag. Auch hier war der Eingang offen und Peter schlupfte hinein. Er gelangte in eine Art Vorraum. Vorsichtig lugte Peter auf die Straße. Er hatte sich nicht getäuscht: Der Amerikaner öffnete gerade die Hecktür des Wagens und – Peter zuckte zurück – sah sich prüfend um. Die Luft schien ihm offenbar rein, denn kurz darauf kam der Ägypter zusammen mit Layla aus dem Lieferwagen: Sie konnte nichts sehen, denn man hatte ihr die Augen verbunden. Ihre Hände waren gefesselt. Sekunden später waren sie im Haus verschwunden.
Da wurde Peter entdeckt. Es war ein jüngerer Mann, einfach gekleidet, der ihn auf Arabisch ansprach. Unbemerkt von Peter war er aus dem Inneren des Hauses gekommen.
Peter verstand kein Wort. »Ich … ich bin nur zufällig hier«, stotterte er auf Englisch los. »Äh … haben Sie ein Glas Wasser?«
Der Mann wechselte ins Englische. »Tourist? American? Ich kann Ihnen zeigen alles. Willst du mein Haus sehen? Das Grab?« Plötzlich sprangen zwei Kinder zu ihm, die sich sofort, als sie Peter sahen, plappernd auf ihn stürzten.
»Ich … ich«, stotterte Peter weiter. Warum machten die hier alle so einen Lärm? Das würde Dalbello auf den Plan rufen! Peter fühlte, dass er die Situation nicht mehr unter Kontrolle hatte.
Er nahm Reißaus und lief auf die Straße. Am besten hinter dem Lieferwagen verstecken. In dem Moment trat Mr Dalbello aus dem Haus. Der Mann entdeckte ihn und stutzte einen Moment. »Dich kenn ich doch!«
Peter versuchte, ihm auszuweichen. Mit zwei Schritten war der Amerikaner bei ihm und warf ihn zu Boden. Peter war alles andere als schwach, doch gegen diesen Klotz von Mann konnte er nichts ausrichten. Sekunden später hatte der Amerikaner Peter in das flache Haus bugsiert, wo ihn der andere Mann empfing. Ehe sich Peter versah, waren seine Hände gefesselt. Mit festem Griff wurde Peter in den Innenhof des behelfsmäßigen Hauses geführt, in dessen Mitte eine steinerne Truhe stand. Ihm wurde schwindelig. Er sollte doch wohl nicht … Die Deckplatte der Grabanlage war zur Seite geschoben worden. Der Amerikaner vergrößerte die Öffnung. Dann hoben die Männer Peter an und ließen ihn hinab. Entsetzt landete der Zweite Detektiv auf dem Boden und sah sich panisch um. Die Aushöhlung unter dem Sarg war größer, als Peter vermutet hatte. Er konnte fast stehen. Unter seinen Füßen knirschte es. Waren das die Knochen der Toten? Mit einem kratzenden Geräusch schloss sich die schwere Platte über ihm. Ein paar letzte Sonnenstrahlen fielen herein und da sah Peter Layla. Sie saß seitlich am Boden, die Augen immer noch
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