SMS für dich
deinen Bildern! Du setzt dich hin, greifst nach Pinseln, kombinierst irre
Farben und Materialien, und das kommt dabei raus.» Katja deutet auf die Leinwände, deren satte Farben eine wohlige Atmosphäre
schaffen. Das sanfte Licht der zahllosen weißen Kerzen im Raum unterstreicht die Stimmung noch.
|174| Karin beginnt zu applaudieren, und auch alle anderen lassen sich sofort anstecken und machen mit. Dann fährt Katja fort.
«Jedenfalls zaubert deine Malerei dir dieses wunderschöne Lächeln auf die Lippen, und du kannst unglaublich stolz auf dein
Talent sein. Damit das Ganze aber nicht nur ein netter Zeitvertreib bleibt und du durch dein Hobby zu richtig Schotter kommst,
habe ich in Rücksprache mit deiner Oma ein Atelier in der Altstadt für dich aufgetan. Schon morgen kannst du es besichtigen.
Und damit du keinen Rückzieher machst, hab ich hier schon mal ein kleines Geschenk für dich.»
Sie bedeutet Andy, das flache Paket zu übergeben. Clara fühlt sich wie in einem Film, der in Zeitlupe abläuft. Auch Beppo,
seine Frau und die Kellnerin haben sich jetzt neugierig in der breiten Tür versammelt und beobachten genau wie die anderen
gespannt, wie Clara das dicke Papier aufreißt.
Zum Vorschein kommt ein hellgraues Acrylschild, auf dem in taubenblauen, großen geschwungenen Buchstaben «Kunst &
Werk» zu lesen ist. Genau wie sie es an einem der letzten inspirierenden Abende erdacht haben.
Clara kann es nicht fassen und ist sprachlos. Sie herzt Katja und anschließend auch Andy. Die anderen klatschen aufmunternd
in die Hände.
Wenn sie könnte, würde Clara einfach die Zeit zum Stehen bringen, um diesen besonderen Augenblick festzuhalten. Dann könnte
sie vielleicht auch all die wundervollen Ereignisse begreifen: eine erste Ausstellung, die der Auftakt für viele weitere in
Galerien und Kultureinrichtungen sein könnte; und ein eigenes Atelier in der Altstadt von Lüneburg. |175| Sie vertraut Katja als Expertin. Außerdem hat sie das nötige Startkapital und bereits ein supertolles Ladenschild. Auch ein
erster Käufer hat sich schon bei Beppo gemeldet, der für ein Bild von ihr unglaubliche 270 Euro zu zahlen bereit ist. Und ein Reporter hat sich angeblich nach ihr erkundigt. Aber vor allem sind es die vielen wohlwollenden
Menschen um sie herum, die aus diesem eigentlich so gefürchteten Tag doch noch etwas Schönes machen.
Clara spürt deutlich, wie ihr der Prosecco zu Kopf steigt. Fröhlich grinst sie vor sich hin und stößt mit jedem Einzelnen
an, um sich dann endlich auch auf das leckere Essen zu stürzen.
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Sven
Neugierig blickt Sven von der Dachterrasse hinunter auf die Scharen an Stadtteilfestbesuchern und die vielen Autos, die sich
im Schritttempo durch die engen Straßen rund um die Fußgängerzone schieben. Wann immer er einen Autofahrer beobachtet, der
vergeblich nach einem Parkplatz Ausschau hält, klopft er sich innerlich auf die Schulter, weil er bislang ohne Auto sehr gut
durchs Leben gekommen ist.
Doch gestern Abend bereute er zutiefst, dass er keins vor der Tür stehen hat. Andernfalls hätte er sicher den Mut aufgebracht,
um spontan nochmal nach Lüneburg zu fahren. Zwar hat ihm Hilke die ganze Woche über an die zwanzig Mal angeboten, ihren Wagen
zu benutzen. Aber er wollte weder ihre Hilfsbereitschaft noch ihre Neugier ausnutzen, um mit dem Opel – oder noch schlimmer
mit dem Opel |176|
und
Hilke – ins «Castello» zu fahren. Keinesfalls will er Clara bei ihrem Geburtstag einfach so überfallen oder ein Treffen womöglich
künstlich erzwingen.
Da er gestern Abend nicht so recht wusste, was er mit sich anfangen sollte, rief er seinen Vater an. Und er ist sehr froh
darüber, da sie beide zusammen einen wirklich entspannten Abend hatten.
Sven musste schmunzeln, als ihn sein alter Dad ausgerechnet zu einem Italiener einladen wollte. Wider Erwarten wurde es ein
überaus netter Abend, bei dem sie nach langer Zeit sogar auch mal wieder über Svens Mutter sprachen, weil sie in Kürze siebzig
Jahre alt geworden wäre.
Dieser Sonntag jedoch braucht noch ein bisschen Tuning, damit noch etwas aus ihm werden kann, denkt Sven. Selbst die stramme
Trainingseinheit heute Vormittag hat ihn nicht weit genug runtergeholt.
Wie ein schwer zu ertragender Teenager verliert er sich immer wieder in Gedankenspiele, wie es wohl wäre, wenn Clara endlich
anriefe. Und als würde das Schicksal weiter seine kleinen Spielchen mit ihm
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