treiben, empfindet er es beinahe als Ironie, dass
er zwar längst mit der geheimnisvollen Lilime per Handy verbunden ist, sie ihn über diese Nummer aber dennoch nicht erreichen
kann, weil sie offiziell nur von seiner dienstlichen Festnetznummer und seiner E-Mail -Adresse weiß.
Allerdings hat Sven sich die Mühe gemacht, eine Weiterleitung seiner dienstlichen Anrufe auf sein Mobiltelefon einzurichten.
Und auch sein privates E-Mail -Programm hat er so eingerichtet, dass ihn zu Hause alle offiziellen Nachrichten erreichen, die er in seiner Freizeit normalerweise
keines Blickes würdigen würde.
|177| Doch bislang kam nichts von Clara. Sven hofft inständig, dass dieser Beppo nicht vergessen hat, seine Visitenkarte weiterzugeben.
Spätestens gestern bei ihrem Besuch im Restaurant, mutmaßt Sven, wird Beppo sie hoffentlich informiert haben. Und wenn sie
wirklich Interesse an einem Gespräch haben sollte, müsste sie sich eigentlich gleich Anfang der Woche melden.
Aber was ist, wenn sie gar kein Interesse hat?
«O Mann!» Sven haut mit der flachen Hand auf das Stahlgeländer und schüttelt den Kopf. Er kann es einfach nicht fassen, dass
er in Gedanken schon wieder bei Clara gelandet ist. Er muss sich ablenken.
Gerade hat er den Entschluss gefasst, David zu fragen, ob er noch Lust auf ein Bierchen unten an einem der Stände auf der
Straße hat, da piept sein Handy.
Es ist eine Nachricht von Clara! Ausgerechnet jetzt, denkt Sven, nach so langer Sendepause verspürt sie offensichtlich einen
Mitteilungsdrang.
Bin nun fest entschlossen, meinen Weg als Künstlerin zu gehen. Du hast es möglich gemacht! Danke für dieses wundervolle Geburtstagsgeschenk.
In Liebe, L.
Sofort hat Sven bessere Laune. Clara kommt ihm wesentlich gelöster vor als noch vor kurzem. Am liebsten würde er jemandem
davon berichten.
David erreicht er leider nicht, daher macht er es sich mit einem Bier auf der Terrasse gemütlich und denkt darüber nach, wie
er sich Clara auf anderem Weg nähern kann.
Bei der morgigen Montagskonferenz will er seinem Chef |178| auf jeden Fall schon mal das Thema «Junge Freiberufler» vorschlagen. Immerhin hat er bereits vor einiger Zeit über den Markt
für Freiberufler recherchiert. Lediglich aktuelle Zahlen und zwei, drei weitere potenzielle Gesprächspartner fehlen ihm noch.
Aber er ist zuversichtlich, Breiding überzeugen zu können, das angesichts der Rezession hochaktuelle Thema ins Heft zu nehmen.
***
Als er am Montag nach über drei Stunden zäher Sitzung zurück ins Büro kommt, freut Sven sich, dass sein Vorschlag tatsächlich
auf Interesse gestoßen ist. Hilke, die seinen Optimismus skeptisch beobachtet, fragt: «Und? Irgendwelche besonderen Vorkommnisse
am Wochenende? Anrufe von der Lüneburger Kunstszene?»
Sven verdreht genervt die Augen und stößt nur Luft aus.
«Sei froh, dass du mich hast und ich mich so fürsorglich um dein Wohlergehen kümmere», erwidert Hilke empört.
«Ganz vielen Dank auch», antwortet Sven ironisch. Er setzt sich an seinen Platz und bemüht sich, das Thema zu wechseln. Die
leise Enttäuschung darüber, dass Clara immer noch nichts von sich hören lässt, schiebt er schnell beiseite. Auf keinen Fall
will er Hilkes komische Interpretationen seiner angeblichen Wandlung zum Positiven durch irgendwelche romantischen Anflüge
weiter befeuern.
Als er die Maus von seinem Rechner bewegt und der Bildschirmschoner den Desktop freigibt, zeigt ihm sein Mail-Programm den
Eingang von 17 Nachrichten an. |179| Während er sich weiterklickt, durchfährt ihn plötzlich ein kleiner Schreck, denn etwa in der Mitte der ungelesenen Mails findet
er eine mit dem Betreff «Ihre Anfrage» vom Absender «
[email protected]».
Während Hilke den Verlauf der Redaktionssitzung kommentiert, versucht Sven sich nichts anmerken zu lassen und unauffällig
die Mail zu öffnen.
«Ja, ja, die Themen der nächsten Monate haben es in sich. So oder so wird das laufen», murmelt Sven vor sich, als sei er kurz
vor dem Einschlafen, obwohl er innerlich vibriert. Mit großer Spannung liest er Claras Nachricht.
Von:
[email protected] Betreff: Ihre Anfrage
Sehr geehrter Herr Lehmann,
Herr Ventorino vom Lüneburger Restaurant «Castello» hat mir Ihre Karte gegeben mit der Bitte, Sie zu kontaktieren.
Gern stehe ich Ihnen für Ihre Recherchen zur Verfügung. Sie können mich jederzeit unter der unten stehenden