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Snack Daddys Abenteuerliche Reise

Snack Daddys Abenteuerliche Reise

Titel: Snack Daddys Abenteuerliche Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Shteyngart
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Two, abgehakt; MSNBC , abgehakt; Rai Due, abgehakt; Deutsche Welle, abgehakt …«
    »Und die Menschen, die in die Alexandre-Dumas-Schlucht springen?«, fragte ich. »Macht das nicht einen schlechten Eindruck?«
    »Die springen nicht, die lassen sich hinunterrutschen«, sagte Herr Nanabragov. »Da wir gerade dabei sind, hast du schon mit Israel gesprochen? In dem Bereich gibt es nämlich positive Entwicklungen. Parka, trage uns die positiven Entwicklungen vor.«
    Der Kulturminister, aus dessen Morgengesicht die Nasenhaare wucherten, starrte aus dem Fenster über die trägen Wasser des Kaspischen Meeres. »Aufwachen, Opa«, sagte Herr Nanabragov. »Erzähl Mischa von den Bergjuden.«
    Parka Gylle schreckte aus seiner Morgenstarre auf und fixierte mich mit seinen gelblichen Augen. Er schnüffelte in meine Richtung, wie um meine Gattung und mein Geschlecht festzustellen. »Herr Vainberg«, sagte er, »guten Morgen. Wie geht es Ihnen? Gut geschlafen? Sehr schön. Nun, erlauben Sie mir, mich zum Narren zu machen und Ihnen unsere jüngste brillante Idee auseinander zu setzen. Haben Sie jevon den Bergjuden gehört? Nein? Nicht? Wie herzerfrischend! Wer sich da nicht um das eigene Volk kümmert und sorgt, muss ein recht leichtes Leben führen. Nun, kurz gesagt, die Bergjuden leben wahrscheinlich schon seit der Zeit des babylonischen Exils unter uns. Und zwar in den Bergen. Ihre Mütter sind immer unsere Mütter gewesen, und sie durften sich immer an unseren Brunnen laben. Und glauben Sie mir, sie labten sich. Sie tranken und tranken. Sie tranken, bis unsere Brunnen trocken waren.«
    »Parka!«, ermahnte Herr Nanabragov ihn.
    »Im Jahr 1943 marschierten die Truppen der Faschisten direkt auf Svanïstadt zu, weil sie das Öl und den strategisch wichtigen Hafen unter Kontrolle bringen wollten. Die Bergjuden wandten sich an die einheimischen Führer der Sevo und Svanï und baten um ein Versteck für den Fall, dass die Deutschen kämen, oder wenigstens um sicheres Geleit über das Kaspische Meer. Ich habe Beweise dafür gefunden, in der mündlichen Überlieferung verschiedener Dorfältester, dass die Svanï sich für die Rettung der Juden kaum erwärmen konnten, während bei den Sevo milder Enthusiasmus herrschte. Na also. Die Wahrheit muss ans Licht.«
    »Aber die Deutschen sind nie bis nach Absurdsvanï gekommen«, wandte ich ein.
    »Leider nicht«, sagte Parka Gylle trocken.
    »Wen kümmert es dann, dass die Sevo ihnen
vielleicht
geholfen hätten? In Wahrheit haben sie es nicht getan.«
    »Aber das ist doch trotzdem eine tolle Geschichte«, sagte Herr Nanabragov. »Eine Minderheit, bereit, sich für die andere zu opfern. Das muss die ganze Welt erfahren, Herr Minister für multikulturelle Angelegenheiten.«
    Inzwischen bediente der Minister für Tourismus und Freizeit sich schamlos von meinem Salatteller. Ich warf ihm einen Blick zu, nach dem er sich beinahe mit seiner eigenen Gabel erstochen hätte. Mit einem meiner beiden Patscher langte ich hin und schnappte mir ein Viertel einer reifen, blutenden Tomate. »Der Holocaust ist eine ernste Angelegenheit«, sagte ich. »Ohne Markenbewusstsein stehen wir wie die Idioten da.«
    »Von Markenbewusstsein verstehe ich nichts«, sagte Nanabragov. »Aber wir könnten doch der sevisch-jüdischen Freundschaft ein Denkmal errichten. Stell dir einen 100 Meter hohen Mischa vor, der sich mit dem toten Demokraten Trotl über eine gigantische Thora beugt. Und aus der Thora schießt ein ewiges Licht.«
    »Tolle Idee! Mischa, das machen wir!«, rief die ganze Versammlung.
    »Wir brauchen ja schon für seinen Kopf den halben Granit aus der Dumas-Schlucht«, sagte irgendein Schlauberger.
    Ich fiel in das höfliche Gelächter meiner Ministerkollegen über meine hemmungslose Fresssucht ein. »Aber jetzt mal im Ernst«, sagte ich, »wenn ihr euch mit dem Holocaust profilieren wollt, müsst ihr etwas Originelles machen. Und wenn nicht originell, dann wenigstens pädagogisch. Und es muss etwas ganz Neumodisches sein, wo immer, wenn ein Kind mit dem Finger auf einen Computerbildschirm tippt, irgendeine herzergreifende Info über die jüdisch-sevische Freundschaft erscheint. Tipp, tipp, tipp, Info, Info, Info.«
    »Können wir so etwas bauen?«, wandte Herr Nanabragov sich an den Finanzminister.
    Der Minister war fast so dick wie ich und wurde ebenfalls von Haaren und Essensresten umtost. »Jungs«, grunzte er, wischte sich den Schweiß von der Stirn und schnipste ihn frech auf den abgestoßenen

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