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Snack Daddys Abenteuerliche Reise

Snack Daddys Abenteuerliche Reise

Titel: Snack Daddys Abenteuerliche Reise
Autoren: Gary Shteyngart
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sie, ließ die Palme los und machte eine niedliche Geste, als würde sie sich die Augen reiben. »Boah, Alter!«
    »Sei lieb zu Mischa«, knurrte eines der Barmädchen sie an.
    »Yeah, das ist hier die Regel Nummer eins«, kicherte eine andere. Ich war für meine großzügigen Trinkgelder bekannt und ließ gelegentlich eine Abtreibung springen. Obwohl alle Barmädchen aus der Bronx stammten und völlig ungebildet waren, behandelten sie mich fast wie ein unschuldiges Kind, ganz anders als die Dachmiezen vom Zufallscollege, die mich für einen weisen alten Europäer hielten. Womit ich sagen will, dass arme Menschen oft auf ihre ganz eigene Art schlau und weise sind.
    »Locker bleiben, Mädels«, befahl die Neue ihren Kolleginnen, während sie sich aus ihren Jeans schälte und ihren fest eingepackten Schamhügel enthüllte, der in seinem Holster steckte wie ein Sechsschüsser. »Der Typ gefällt mir«, sagte sie.
    »Ich glaube, du gefällst ihr«, flüsterte Max mir ins Ohr, und kleine Spucketropfen kitzelten sanft mein Gesicht. Er legte seine Hände auf die Theke und ließ den Kopf hineinfallen. Gegen Ende der Mittagspause war ihm oft übel.
    »Hallo«, begrüßte ich die junge Frau.
    »Selber hallo, Jumbo«, sagte sie. »Wie findest du die hier?« Mit den Daumen schob sie ihre Brüste nach oben, worauf diese sich irgendwie von selbst weiter hoben, wie schüchterne Tiere, die hinter einer Hecke hervorlugten. »Schon Schweißausbrüche, Mister?«
    »Und wie!«, sagte ich. »Aber meine sind auch nicht schlecht, Fräulein.« Ich nahm meine Schätzchen in die Hand und rubbelte mir die Nippel hart. Die anderen Barmädchen lachten wie immer. »Hinter die Theke mit Mischa!«, rief eine.
    »Auweia, Mister, sind Sie aber lustig!«, sagte die Neue. Und dann langte sie hinter mich und zog mich an den Haaren nach unten. »Aber wenn ich Dienst habe, Jungchen, dann glotzt du auf
meine
Titten. Konkurrenz kann ich nicht haben.«
    »Aua«, sagte ich. Sie tat mir weh. »War doch nur Spaß.«
    Sie hörte auf, mich an den Haaren zu ziehen, hielt sie aber weiter fest und strich mit ihrem Handrücken über die erste meiner Nackenfalten. Sie hatte fürchterlichen Mundgeruch – saure Milch, Franzbranntwein, Zigaretten, postindustrielle Fäulnis. Aber auf ihre ärmliche Art war sie schön. Sie erinnerte mich an eine liebliche olivenfarbige Puppe, die ich anderentags in einem Schaufenster gesehen hatte. So wie diese Schaufensterpuppe sich nachlässig über einen Billardtisch beugte, den Queue in der Hand, sah man gleich, dass sie viel mehr vom Geschlechtsverkehr verstand als alle Frauen Leningrads zusammen, die Freudenmädchen aus dem Hotel »Roter Oktober« eingeschlossen. Auch meine neue Freundin sah ganz so aus, als sei ihr nichts Menschliches fremd. In ihrem großen, schönen Gesicht funkelten zwei kleine Mestizenaugen, seine Blässe, von Sonnen- und Vitaminmangel angekränkelt, hatte einen Graustich, und ihr Bauch war aufreizend halbschwanger aufgequollen (vom Industriefraß, nicht von werdendem Leben). Ihre Brüste waren schwer. »Bist du Jude?«, fragte sie mich.
    Als er »Jude« hörte, war Max gleich hellwach. »Wasshassu gesagt?«
    »Hab ich gleich gewusst«, sagte das Mädchen. »Total jüdisches Gesicht.«
    »Moment mal, Moment mal …«, murmelte Max.
    »Und so hübsch«, fuhr das Mädchen fort. »Du hast tolle blaue Augen, Mister, und ein tolles breites Grinsen – ach, Süßer! Wenn du ein bisschen abnimmst, könntest du glatt einer von diesen fetten Filmstars sein.« Sie legte mir die Hand aufs Kinn, und ich beugte mich hinunter, küsste sie und scherte mich nicht um die ungeschriebenen Gesetze der Bar.
    »Ich heiße Mischa«, sagte ich.
    »Hier in der Bar heiße ich Desiree«, sagte sie, »aber ich verrate dir meinen echten Namen.« Sie beugte sich vor, ihr Fast-Food-Atem katapultiertemich aus meiner klinisch reinen Zufallscollege-Welt ins wirkliche Leben. »Er lautet Rouenna.«
    »Hi, Rouenna«, sagte ich.
    Sie klebte mir eine. »Hier in der Bar nennst du mich gefälligst Desiree«, zischte sie.
    »Sorry, Desiree«, sagte ich. Dass ich ihren echten Namen kannte, machte mich scharf, da spürte ich keinen Schmerz. Nun rief ein Gast sie zu sich, der ihr Salz und Limettensaft aus dem Ausschnitt lecken wollte. Den Anblick seiner pickligen Nase, die zwischen ihren Brüsten verschwand, auch seine Schlürfgeräusche habe ich verdrängt, aber sehr wohl kann ich mich noch an den Ausdruck der Würde auf ihrem Gesicht erinnern, als sie
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