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Snack Daddys Abenteuerliche Reise

Snack Daddys Abenteuerliche Reise

Titel: Snack Daddys Abenteuerliche Reise
Autoren: Gary Shteyngart
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davon (zusammen mit Papas Kopf, wie wir später erfahren werden), und es erhebt sich eine Wolke aus billigem Rauch … Knallbum.
    Lange Rede, kurzer Sinn, so wurde ich zur Waise. Möge ich meinen Frieden finden unter den Trauernden Zions und Jerusalems. Amen.

4
    Rouenna
     
    Als ich meinen Abschluss am Zufallscollege gemacht hatte, mit allen
cum laudes
, die man einem fetten russischen Juden ans Revers hängen konnte, beschloss ich, wie viele junge Leute, nach Manhattan zu ziehen. Amerikanische Ausbildung hin oder her, in meinem Herzen war ich noch immer ein Sowjetbürger, befallen von einer Art stalinistischer Gigantomanie, so dass mein Blick, als er über die Topographie Manhattans schweifte, naturgemäß an den Zwillingstürmen des World Trade Centers hängen blieb, jenen emblematischen, von Bienenwaben besetzten 110-stöckigen Riesen, die in der Abendsonne wie Weißgold glänzten. Sie schienen mir wie die Erfüllung aller Versprechen des sozialistischen Realismus, jugendliche Science-Fiction, ins beinah Unendliche gedehnt. Man könnte sagen, ich war in sie verliebt.
    Schnell fand ich heraus, dass man im World Trade Center keine Wohnung mieten konnte, und entschied mich für ein ganzes Stockwerk in einem nahen Wolkenkratzer aus der Zeit der Jahrhundertwende. Mein Loft hatte auf der einen Seite eine atemberaubende Aussicht auf Miss Liberty, den Hafen begrünend, auf der anderen verdunkelte das World Trade Center den Rest der Skyline. Meine Abende verbrachte ich damit, von einem Ende meiner Laube ans andere zu hüpfen: Wenn die Sonne über der Statue unterging, verwandelten sich die Zwillingstürme in ein faszinierendes Schachbrett aus beleuchteten und unbeleuchteten Fenstern, und nach ein paar Zügen an einem Joint sahen sie aus wie ein zum Leben erwachtes Gemälde von Mondrian. Ich trat ein zu meiner schnittigen Art-déco-Wohnung passendes Praktikum bei einer nahen Kunststiftung an, deren Hauptquartier bei einer großzügigenBank untergekommen war. Die Stellenvermittlung des Zufallscollege hatte alles arrangiert; sie war darauf spezialisiert, jungen Ladys und Gentlemen statusschwere und schwer unbezahlte Praktika zu vermitteln. Und so walzte ich jeden Morgen gegen zehn in meinem von akademischen Auszeichnungen bedeckten Blazer (von der Fakultät für multikulturelle Studien, meinem Hauptfach) in den filigranen Wolkenkratzer der Bank drei Straßen weiter und erfüllte ein paar Stunden lang meine Pflicht in der Registratur.
    Meine Kollegen fanden mich ein bisschen seltsam, aber ich war nichts im Vergleich zu dem jungen Mann, der sich jeden Tag zur Mittagspause als Hamster verkleidete und sich für genau eine Stunde und 15 Minuten auf dem Klo in Weinkrämpfen wand (ein Kommilitone vom Zufallscollege natürlich). Und immer wenn Zweifel daran aufkamen, ob es klug war, in den sowieso schon beengten Büros einen schlaftrunkenen, gargantuesken Russen herumwerkeln zu lassen, musste ich nur so etwas sagen wie »Malewitsch!« oder »Tarkowskij!«, und schon ließ das Licht der Errungenschaften meiner Landsleute meine Multikulti-Orden glitzern.
    Den Hamster haben sie irgendwann gefeuert.
     
     
    Das Leben junger amerikanischer College-Absolventen ist ein einziges rauschendes Fest. Ohne eine Familie, die sie ernähren müssten, können sie sich ganz den fröhlichen Partys auf den Dächern der Stadt hingeben, wo sie sich ausführlich über ihre schrulligen elektronischen Kindheiten austauschen und einander gelegentlich auf die Lippen und in den Nacken küssen. Mein Leben war ähnlich süß und unkompliziert, nur ein Bedürfnis wurde mir nicht erfüllt – ich hatte keine Freundin, kein exotisches, knackärschiges Proletariermädchen, das mich vom Sofa lockte, keine exotische Polynesierin, die mein einfarbiges Leben mit ihrem Braun und Gelb übermalte. Und so trottete ich an den Abenden meiner Wochenenden auf die Dächer, wo sich die Ehemaligen des Zufallscollege mit Grüppchen von Absolventen ähnlicher Hochschulen vermischten, aneinander drängten und aus ihren Unterhaltungen mit Widerhaken besetzte kleine Netzwerke aus Insiderwissenund Gerüchten formten, vom Napa Valley bis nach Gstaad. Ich badete in den Neuigkeiten, steuerte geistreiche Bemerkungen und absurde Witze bei, aber meine eigentlichen Absichten waren konventionellerer Art: Ich suchte eine Frau, die mich nehmen würde, wie ich war, Kilo für Kilo, mich und das zerquetschte purpurrote Insekt zwischen meinen Beinen.
    Ich fand keine Abnehmer dafür, war aber auf
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