Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Snack Daddys Abenteuerliche Reise

Snack Daddys Abenteuerliche Reise

Titel: Snack Daddys Abenteuerliche Reise
Autoren: Gary Shteyngart
Vom Netzwerk:
hatte, während
chuj
und Eichel offenbar nur noch von ein paar Hautfetzen und -fäden zusammengehalten wurden. Auf dem Weg vom Skrotum bis an die Spitze hatten purpurne und rote Narben ein ganzes Netz aus Bergstraßen gebildet, während die Unterseite von der postoperativen Infektion so ausgeweidet worden war, dass die einstmals weiche Haut im Winde flatterte wie eine leere Mülltüte. Der Vergleich mit dem zerquetschten Insekt hatte wahrscheinlich auf dem Operationstisch am besten funktioniert, als mein
chuj
noch voller Blut war. Inzwischen sahen meine Genitalien eher wie ein zu Klump gehauener Leguan aus.
    Rouenna schob ihren Kugelbauch vor und rieb mir den
chuj
mit seiner weichen Oberfläche. Vielleicht, weil sie ihn nicht anders anfassen mochte, dachte ich, aber ich irrte mich. Sie beugte sich hinunter und hauchte ihn eine Weile an. Mein
chuj
nahm sich zusammen und kroch ihrer wartenden Körperöffnung entgegen.
Aufhören!
, befahl ich mir.
Du bist eine abstoßende Kreatur. Das verdienst du nicht.
    Aber Rouenna nahm meinen
chuj
nicht in den Mund. Sie hob ihn an, fand die scheußlichste Stelle auf seiner Unterseite – eine lebensechte Darstellung der Bombennacht von Dresden – und unternahm einen (wie mir praktischerweise eine Uhr anzeigte) 389 Sekunden langen stillen Kuss.
    Mein Blick wanderte hinweg über den dunklen Berg ihrer Haare, über die Brancusi-Schwänze, die meine Loftwände säumten, in die Ferne jenseits meiner Doppelglasfenster.
    Ich schwebte über der Stadt und sah mich ausgiebig in alle Richtungen um. Die nachlässigen Spitzen und Haken von Queens und Brooklyn mit ihren eingelassenen Industriesplittern, die Karrees aus braunziegeligen Reihenhäusern, die fanatischen Aufstiegshoffnungen der Mittelschicht, die in einem nun schon halbdunklen New Jersey ihren Rücktritt in den Schlaf anboten; das Teppichgitter Manhattans, im flachen Horizont versinkend, die gelben – scharf umrissenen, viel zu grellen – Lichtgirlanden, aus denen sich die Umrisse der Wolkenkratzer bildeten, die gelben – diffusen, flackernden – Lichtgirlanden, aus denen sich die undefinierbare Masse der Mietskasernen formte, die gelben – schlenkernden, opportunistischen – Lichtgirlanden aus den Frontscheinwerfern der Taxikarawanen: ach, all die gelben Lichtgirlanden in ihren horizontalen und vertikalen Ausformungen, die den gesammelten Hoffnungen unserer Zivilisation eine letzte Ruhestätte boten.
    Und so sage ich meinem Vater dies:
Sorry, aber dieses Schwebegefühl, diese gelbe Stadt zu meinen Füßen, diese vollen Lippen an meinen Überresten, das ist mein Glück, Papa. Das sind meine Piroggen.
    Und so frage ich die Generäle an der Spitze der US -Einwanderungsbehörde, die der Mär vom gemischtrassigen Mädchen aus der Bronx und ihrem übergewichtigen Russen so geduldig gefolgt sind:
In welchemanderen Land hätten wir einander Trost spenden können? In welchem anderen Land hätten wir auch nur existieren können?
    Und nun, herabgesunken auf meine Knie, sage ich den Generälen noch dies:
Bitte, meine Herren
.
    Wie ein Kind:
Bittebittebitte


5
    Im Kreise der fröhlichen Trauergemeinde
     
    Auf dem Heimweg vom »Russischen Fischerheim«, das Herz gebrochen durch die Nachricht vom Ableben meines Vaters, quetschte ich mich mit Aljoscha-Bob auf die Rückbank des Landrovers, weinte ihm die Schulter nass und putzte mir die Nase an seinem Zufallscollege-Sweatshirt. Er nahm meinen Kopf in beide Arme und verzwirbelte mir das schüttere Haar rund um meine kahle Stelle. Von ferne mag er ausgesehen haben wie ein Nagetier im Würgegriff einer Anakonda, dabei war es wirklich nur meine Liebe, die ich einem lieben Freund zuteil werden ließ. Sogar Aljoschas Geruch hatte an diesem Abend etwas Mitfühlendes – schmieriger Sommerschweiß, die stechende Schärfe von Fisch mit einem Hauch Schnaps –, und am liebsten hätte ich ihm die hässlichen Lippen geküsst. »
Nu, ladno, nu, ladno
«, sagte er immer wieder, was sich als »Alles wird gut« übersetzen lässt oder als »Da haben wir es nun« oder, von einem weniger großmütigen Übersetzer, als »Jetzt reicht’s aber«.
    Ehrlich gesagt, ich weinte nicht um meinen Vater, sondern um die Kinder. Auf dem Heimweg waren wir an einer Ecke des Bolschoi Prospekts vorbeigekommen, wo ich im vergangenen Winter einen völlig lächerlichen Nervenzusammenbruch erlitten hatte. Ein Dutzend Kinder aus dem Kindergarten waren aufmarschiert, in ein keckes Sammelsurium aus unförmigen Mänteln
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher