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Snack Daddys Abenteuerliche Reise

Snack Daddys Abenteuerliche Reise

Titel: Snack Daddys Abenteuerliche Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Shteyngart
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Speisekarte begannen Valentins Schnallen zu weinen. Sie konnten nicht einmal die Namen der Gerichte aussprechen, so aufgeregt und geldgeil waren sie. Sie mussten die Gerichte bei ihren Preisen nennen: »Komm, wir teilen uns die 16 Dollar als Vorspeise und nehmen dann die 28 Dollar und ihr könnt euch die 32 teilen … Ist das okay, Michail Borisowitsch?«
    »Um Himmels willen, bestellt, was ihr wollt!«, rief ich. »Vier Gänge, zehn Gänge, was bedeutet unter Brüdern und Schwestern schon Geld?« Und um uns richtig auf den Abend einzustimmen, bestellte ich eine Flasche Rothschild für $ 1.150,00.
    »Ich möchte noch mehr von deiner Kunst hören, Brüderchen«, sagte ich zu Valentin. Dostojewskij war über mich gekommen. Ich wollte alle Menschen um mich erlösen. Sie alle sollten Mischas Kinder sein, noch die letzte Metze, noch der letzte Intellektuelle mit struppigem Ziegenbärtchen.
    »Seht ihr … seht ihr …«, sagte Valentin seinen Freundinnen. »Schon reden wir über Kunst. Ist es nicht herrlich, meine Damen, aneinem so geschmackvollen Ort zu sitzen und wie echte Gentlemen von höheren Fragen zu handeln?« Eine ganze Reihe von Gefühlen zogen über das rote Gesicht des Künstlers, von angeborenem Misstrauen gegen alle Freundlichkeit bis zu latenter Homosexualität. Er drückte seine Hand auf die meine und nahm sie eine ganze Weile nicht mehr weg.
    »Valja hat ein paar schöne Zeichnungen für uns gemacht«, berichtete mir die Frau Mama, »und hilft uns mit dem Design für unseren Webauftritt. Wir bieten unsere Dienste jetzt nämlich auch im Internet an, hätten Sie das gedacht?«
    »Oh, Mama, schau mal, ich glaube, da kommen die beiden 16 Dollar!« Kreischend begrüßte Elisabeta Iwanowna die Ankunft der Vorspeisen aus mit Hirsch- und Krebsfleisch gefüllten Pelmeni; die beiden Teller waren mit gigantischen Silberkuppeln abgedeckt. Die Kellner, ein hinreißendes Kinderpaar, Junge und Mädchen, sahen einander an, zählten mit den Lippen lautlos
eins, zwei, drei
, hoben dann im Gespann die Deckel ab und enthüllten die scheußlichen Vorspeisen.
    »Wir sprechen über Kunst wie echte Gentlemen«, sagte Valentin.
     
     
    Der Abend entwickelte sich, wie vorhergesehen. Unter einem verwirrenden Querschnitt aller möglichen Sommerhimmel – oben das tiefe Blau der Nordsee, unterlegt mit dem unbestimmten Grau der Newa und, ganz unten, einem glänzenden Band aus modernem Orange, das wie ein fluoreszierender Nebel das Duell der Turmspitzen von Admiralität und Peter-und Pauls-Festung umhüllte – fuhren wir zu mir.
    Den ganzen Weg über peitschten wir meinen Chauffeur abwechselnd mit Birkenzweigen, angeblich, weil das gut für seinen Kreislauf war, in Wahrheit aber, weil man in Russland unmöglich einen Abend beenden kann, ohne auf jemanden loszugehen. »Jetzt komme ich mir vor wie in einer Pferdedroschke von anno dazumal«, sagte Valentin, »und wir schlagen den Fahrer, weil er zu langsam fährt … Schneller, Fahrer! Schneller!«
    »Bitte, Herr«, bettelte Mamudow, »diese Straßen fahren sich schon schwer genug, wenn man nicht ausgepeitscht wird.«
    »›Herr‹ hat noch nie jemand zu mir gesagt«, sprach Valentin verwundert. »Hussa, du Schuft!«, schrie er und zog dem Fahrer noch einen über.
    Ich gab ihnen eine Führung durch meine Wohnung, ein prächtiges Jugendstilrefugium, Baujahr 1913 (allgemeiner Ansicht nach das letzte gute Jahr der russischen Geschichte), voll blasser Kacheln und kostbarer Erkerfenster, die spielerisch das letzte Abendlicht einfingen. In jedem neuen Raum erlitten Valentin und die Nutten einen kleinen Anfall, und der monarchistische Webdesigner flüsterte: »So sieht das also aus … So leben die also.«
    Ich setzte sie in der Bibliothek ab, wo die Regale unter den Büchern meines toten Herrn Papa ächzten, den gesammelten Schriften der großen Rabbiner, den
Vorschriften für das Bankenwesen auf den Cayman-Inseln in drei Bänden mit Anmerkungen
und den ach so beliebten
101 Steuerschlupflöchern
. Die Hausangestellten marschierten mit Karaffen voller Wodka auf. Elisabeta Iwanowna drohte, Akkordeon für uns zu spielen, und Valentin stachelte die Tochter dazu an, beliebige Zitate der großen Philosophen ins Gespräch zu werfen, aber bis man endlich ein Akkordeon herbeigeschafft und einen Band Voltaire aufgeschnitten hatte, waren meine Gäste in einem großen Knäuel eingeschlafen. Valentin hatte seine große Kartoffelnase in Ljudmila Petrownas beachtlichem Ausschnitt versenkt und ihr seine Arme

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