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Snack Daddys Abenteuerliche Reise

Snack Daddys Abenteuerliche Reise

Titel: Snack Daddys Abenteuerliche Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Shteyngart
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hatte, nahm er sich wahrscheinlich die andere vor. Rouennas größte Lebensleistung bestand darin, im fortgeschrittenen Alter von 25 Jahren noch nicht schwanger geworden zu sein. Sie war als einzige Frau der Familie noch kinderlos, wofür ihre
tías
und
abuelas
und
primas
sie gnadenlos aufzogen. Nun war selbst diese Errungenschaft in Gefahr. Und hatte Shteynfarb ihr erst mal ein Kind gemacht, würden die nächsten nicht auf sich warten lassen. Wenn ein Mädchen an der 173. Straße erst einmal Bauch zeigte, blieb es bis zu den Wechseljahren schwanger.
    Noch einmal las ich den Brief. Das konnte meine Rouenna unmöglich geschrieben haben. Verschwunden war die Power. Der Zorn, der Witz. Die Liebe, die sie mir bedingungslos geschenkt hatte, höchstens mit dem reservierten Selbstschutz einer armen Frau. Sie behauptete, Shteynfarb stelle ihr »Selbstbewurstsein« wieder her, aber zum ersten Mal, seit ich sie kennen gelernt hatte, klang sie servil und völlig am Boden zerstört.
    Timofej trug die erste dampfende Fleisch- und Kohlpastete auf, und plötzlich leuchtete der Raum von Nahrung und Hitze. Ich leckte mir die Lippen, verschränkte die Füße, ballte die Rechte zur Faust und schlang die Pastete in drei Bissen hinunter. Dann wandte ich mich wieder der Mail zu, kreiste mit meinem roten Kuli einzelne Sätze ein und notierte meine Erwiderung am Rand.
     
    Proffessor Shteynfarb hat es als Einwanderer schwer Gehabt und deshalb weiß er was harte Arbeit bedeutet.
     
    Totaler Schwachsinn, Rouenna. Shteynfarb ist ein Pseudo aus der oberen Mittelschicht, der als Kind in die Staaten gekommen ist und jetzt auf Profi-Einwanderer macht. Wahrscheinlich benutzt er dich nur als Material. Wir haben so viel mehr gemeinsam, wir beide. Das hast du selbst gesagt, Rowie. Russland ist
das
Ghetto überhaupt. Und ich lebe einfach auf großem Fuß darin, na und? Wer würde nicht auf großem Fuß im Ghetto leben, wenn er könnte?
     
    Ins geheim verachtest du mich nämlich.
     
    Seit dem ersten Abend, da du mir so zart den Schniedel geküsst, hat es keine andere Frau in meinem Leben gegeben. Ich bin so stolz auf die Kraft, mit der du dich gegen den Gruppenzwang wehrst und für ein besseres Leben als Chefsekretärin kämpfst. Noch an einem schwachen Tag bist du zehntausendmal mehr wert als Jerry Shteynfarb, und das weiß er auch.
     
    Außerdem hat Proffessor Shteynfarb gesagt dass du nicht mit dem Schuh nach deinem Diener werfen darfst.
     
    Dann soll Professor Scheißfarb dir doch bitte mal den Begriff »Kulturrelativismus« erklären. Wenn man in so einer Gesellschaft lebt, muss man einfach ab und zu mit einem Schuh werfen.
     
    Wenn du meine Studiengebüren nicht weiterbezahlen willst würde ich das verstehen, auch wenn ich dann wieder in der Titen-Bar arbeiten muss.
     
    Natürlich werde ich deine Studiengebühren weiterzahlen. Ich habe dich schließlich aus der Titten-Bar rausgeholt, schon vergessen? Alles, was ich besitze, ist dein, bis zum letzten Hemd, mein Herz, meine Seele, meine Brieftasche, mein Haus. [Ich beschloss, meine Antwort mit einer Anspielung auf Rouennas Lieblingsfigur aus der Welt der Einbildungzu beschließen.] Denke du nur immer daran, Rouenna, dass du alles, was du tust, mit Gott ausmachen musst. Wenn du mir also wehtun willst, nur zu. Aber du weißt, dass Er jeden deiner Schritte sieht.
     
     
    Ich legte den roten Kuli ab. Ich dachte an das selbst gemalte Schild, das eine von Rouennas neunzehn kleinen Nichten an die Tür der Familienwohnung gehängt hatte: HIER DRINNEN KEIN RAUCHEN KEIN FLUCHEN KEIN GLÜCKSSPIEL JESUS LIEBT DICH . Wir saßen immer auf einer quietschenden Bank auf dem von Unkraut überwucherten Hof hinter Rouennas Wohnblock und trieben »Härter Wohnen«, wie Rouenna es nannte, während hübsche dunkle Kinder um uns herumtollten und einander anschrien: »Wenn ich wieder rauskomme,
puta
, dann hau ich dir die Fresse ein.« Das pure Sommerglück.
    Was würde ich nicht dafür geben, noch einen Juliabend an der Ecke 173. Straße und Vyse verbringen, Rouenna küssen und in meinen fetten Armen wiegen zu dürfen.
Immer träume ich davon dass ich in Deinen Armen liege und deinen abartigen kui im Mund habe.
    Demonstrativ piepste mein Laptop. Noch mehr Hiobsbotschaften von Rouenna? Aber die Mail stammte von Ljuba Vainberg, meines Vaters Witwe:
Ehrenwerter Michail Borisowitsch,
    ich habe mir beigebracht, das Internet zu nutzen, weil ich höre, dass Sie vorzugsweise auf diesem Wege kommunizieren. Ich bin einsam.

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