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Snack Daddys Abenteuerliche Reise

Snack Daddys Abenteuerliche Reise

Titel: Snack Daddys Abenteuerliche Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Shteyngart
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der Mongolei, während ihr Stupsnäschen sich in nichts auflöste. Der stetigen Zugluft aus der Klimaanlage zum Trotz spürte der Chronist eine Hitzewallung im Gesicht und einen unreinlichen Schweißausbruch unter den Achseln. Ljubas Jeansbluse lag eng an ihrem Körper an, und wenn sie sich umdrehte, konnte man die wichtige Falte sehen, die sich zwischen den Backen ihres
zhopa
formte. Das Thema »orangene Decke« wirkte derweil beruhigend und anregend zugleich.
    »Willst du sie sehen?«, fragte sie. »Sie ist im Schlafzimmer«, fügte sie rasch hinzu. »Ich weiß nicht, vielleicht war sie ja ein Fehlkauf.«
    »Bestimmt nicht«, sagte ich, plötzlich von moralischen Zweifeln gequält. Sofort erschien vor meinem geistigen Auge Jerry Shteynfarbs auktoriales Ziegenbärtchen, sich in die Hitze zwischen Rouennas Beinen grabend. Die moralischen Zweifel lösten sich in Luft auf. Ich folgte Ljuba auf dem Fuße.
    Wir durchschritten den Salon, eine Art Ausstellungsraum für aberwitzige italienische Möbel mit ausreichend spiegelglänzenden Oberflächen, um darin auf niederschmetternde Weise meines schlaffen Hinterns und der kleinen, stetig wachsenden kahlen Stelle auf meinem Kopf gewärtig zu werden. Meines Vaters meterlanges Ölgemälde eines weisen, aber auch grauhaarigen Moses Maimonides, dem offenbar ein Zehnrubelschein aus der Tasche lugte, vervollständigte das Interieur. Vor den Fenstern bildete die elegante klassische Linienführung der über der Newa hängenden Zwölf Kollegien einen notwendigen Kontrapunkt.
    »Das kommt alles raus«, sagte Ljuba mit einer weiten Geste über das Ensemble aus blankpolierten Mahagoni-Monstrositäten, die womöglich »Sonnenaufgang in Neapel« oder sonst wie hießen (in Brighton Beach, New York, stehen ganze
Lagerhäuser
voll von diesem Schrott, falls der furchtlose Leser interessiert sein sollte). »Wenn du Zeit hast«,sagte Ljuba, »können wir nach Moskau zu Ikea fahren, vielleicht gibt es da etwas mit Paisleymuster.«
    »Ljuba, was du machst, ist sehr gesund«, erklärte ich ihr. »Wir alle müssen danach streben, so westlich wie möglich zu werden. Der alte Streit zwischen den Verwestlichern und den Slawophilen … Was soll uns eigentlich dieser Streit, nicht wahr?«
    »Wenn du meinst«, sagte Ljuba. Sie öffnete die Tür zum Schlafgemach.
    Ich musste den Blick sofort wieder abwenden. Ljubas Decke erstrahlte im grellsten Orange, das ich seit meiner Zeit in der Bibliothek des Zufallscollege gesehen habe, errichtet 1974, wahrscheinlich durch den Verband der Zitrusfarmer. Sie war … Mir fehlten die Worte. Eine ganze Sonne war in Ljubas Schlafzimmer explodiert und hatte uns ihr Nachglühen als Andenken gelassen.
    »Du bist eine moderne Hausfrau geworden«, sagte ich und hievte mich aufs Bett (ein komplizierter Vorgang).
    »Fühl mal wie weich«, sagte Ljuba, als sie sich neben mir niederließ. »Sieht aus wie schickes Polyester aus Amerika in den Siebzigern, fühlt sich aber an wie Baumwolle. Ich brauche eine gute Reinigung. Sonst geht die Farbe raus.«
    »Das darf nie geschehen«, sagte ich. »Die Decke ist ein Knüller.« Mein Blick fiel auf das Foto des Geliebten Herrn Papa über ihrer Schminkkommode; auf seinem Friedhof für neurussische Juden enthüllte er einen Grabstein in der Form eines riesigen Nokia-Handys, und ein gottloses Lachen umspielte seine schlauen Augen.
    »Ich hab noch mehr«, kündigte Ljuba an. Sie lief ins Bad und kam mit ein paar orangenen Handtüchern zurück. »Das sind die, über die du mit Swetlana im ›Russischen Fischerheim‹ gesprochen hast!«, sagte sie. »Siehst du, ich höre immer auf dich.«
    Ich warf einen raschen Blick auf die Handtücher und spürte, wie sich irgendwo in meinen Nebenhöhlen richtig fiese Kopfschmerzen zusammenbrauten. »Vielleicht solltest du noch eine andere westliche Farbe dazutun«, schlug ich vor. »Zum Beispiel Limonengrün.«
    Ljuba biss sich auf die weiche Unterlippe. »Könnte sein«, sagte sie. Zweifelnd betrachtete sie den Stoff in ihren Händen. »So was istschwer, Mischa … Ich komme mir manchmal so dumm vor … Ach, aber hör dir das mal an!« Mit einem Schnipsen eines ihrer lackierten Fingernägel schaltete sie eine winzige Stereoanlage ein. Rasch erkannte ich das herrliche urbane Liebeslied des Humungous G: »
I’m busting my nut tonight
«. Ljuba lachte und fiel in die souligen R&B-Refrains ein, wobei sie in einer Art melancholischer russischer Annäherung an das
slow jamming
die Hände vor ihrem Leib bewegte.

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