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Snack Daddys Abenteuerliche Reise

Snack Daddys Abenteuerliche Reise

Titel: Snack Daddys Abenteuerliche Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Shteyngart
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»
I’m baaaaasting my nut tonight/Your pussiiiiii feels so tight
«, sang sie mit müder, aber einladender Stimme.
    »
Uhhhh, uhhhh, uhhhh
«, grunzte ich den Refrain mit. »
Uhhhh, shit
«, fügte ich hinzu.
    »Ich weiß doch, wie sehr Aljoscha und du auf diesen Song stehen«, sagte sie. »Der läuft bei mir jetzt dauernd. So viel besser als Techno und russischer Pop.«
    »Was Popmusik angeht« – ich ließ sie nun die ganze Autorität meines Multikulti-Abschlusses vom Zufallscollege spüren –, »solltest du dich ganz auf East-Coast-Hiphop und
ghetto tech
aus Detroit konzentrieren. Europäische Musik ist kategorisch abzulehnen. Sogar die so genannte progressive House-Musik! Hast du verstanden, Ljuba?«
    »Kategorisch!«, sagte Ljuba. Weich sah sie mich aus ihren leeren grauen Augen an. Sie presste beide Hände auf den beeindruckenden Kamm ihres Brustbeins. »Michail«, sprach sie mich mit meinem vollen Namen an, ein Wort, das mir zeit meines Lebens Bestrafung angekündigt hatte. Erwartungsvoll sah ich zu ihr auf.
    »Ich möchte zum Judentum konvertieren, und du musst mir dabei helfen«, sagte sie. Sie ließ sich auf die orangene Decke fallen, zog die dünnen Beine an den Magen und strahlte mich voll jugendlicher Wissbegier an. In meinem Bauch wurde es ganz warm, und die Wärme wanderte abwärts. Da lag sie nun neben mir – die kleine Ljuba in ihrem zu engen Jeansgewand, die beiden Kartoffelklößchen ihres
zhopa
an meinen milchweißen Oberschenkel gepresst. Ich versuchte, mich auf unser Gespräch zu konzentrieren. Was hatte sie gesagt? Juden? Konvertieren? Dazu fiel mir einiges ein.
    »Das mit dem Konvertieren würde ich lassen«, riet ich ihr, und meine Stimme klang so ernst, als drohte ihr die Verwandlung in einenMistkäfer. »Was immer du auch vom Judentum halten magst, Ljuba, im Grunde handelt es sich um ein System aus kodifizierten Ängsten. Es dient der Kontrolle über ein schon von vornherein nervöses und verleumdetes Volk. Alle Beteiligten können dabei nur verlieren, der Jude, sein Freund, eigentlich sogar sein Feind.«
    Das hatte Ljuba nicht überzeugt. »Dein Vater und du, ihr seid die einzigen guten Menschen in meinem Leben«, sagte sie. »Und ich möchte euch beiden auf tiefe Weise verbunden sein. Denk dir nur, wie toll das wäre, zum selben Gott zu beten« – sie verbarg ihren mattblonden Kopf in einer Achselhöhle – »und unser Leben miteinander zu teilen.«
    Den zweiten Teil des Satzes wollte ich für den Augenblick beiseite lassen, denn alle Lügen und Ausflüchte der Welt würden mir ihr trauriges, absurdes Flehen nicht wieder aus den verklebten Ohren klauben können. Aber wenigstens den ersten Teil wollte ich ihr ausreden. »Ljuba«, sagte ich so gelassen wie möglich (es klang abscheulich), »du musst begreifen, dass es keinen Gott gibt.«
    Mit einem lieben Lächeln sah Ljuba zu mir auf und gewährte mir einen ihrer glanzversiegelten 31-Zähne-Grüße (ein Schneidezahn an vorderster Front hatte im vergangenen Sommer dran glauben müssen, als sie die Härte einer Walnuss unterschätzte).
    »Natürlich gibt es einen Gott«, sagte sie.
    »Nein, gibt es nicht«, gab ich zurück. »Der Platz, den wir Gott in unserer Seele freihalten, ist sogar eine Art Negativraum, an dem unsere übelsten Empfindungen wohnen, unsere Eifersucht, unser Zorn, unsere Rechtfertigungen für Bösartigkeit und Gewalt. Wenn du dich wirklich für das Judentum interessierst, Ljuba, dann solltest du sorgfältig das Alte Testament studieren. Dem Gott der Israeliten und Seiner völligen Verachtung für alles Demokratische und Multikulturelle solltest du dabei besondere Aufmerksamkeit schenken. Ich glaube, das Alte Testament illustriert sehr eindrücklich, was ich meine, Seite für Seite.«
    Ljuba lachte über meine kleine Tirade. »Auf deine Art glaubst du bestimmt an Gott«, sagte sie. Dann fügte sie hinzu: »Du bist ein komischer Kerl.«
    Ach, die Impertinenz der Jugend. Mit welcher Leichtigkeit sie dahinplappern!Wer war sie denn schon, diese
Ljuba
, dieses Mädchen, das mein Vater vor ein paar Jahren aus irgendeinem Landwirtschaftskollektiv in Astrachan gerettet hatte, voller Schweinemist und blauer Flecke? Dieser mürrische Teenie, den er aufgenommen hatte wie die Tochter, die er lieber aufgezogen hätte als mich – dürr, treu und ohne einen verlockenden purpurroten
chuj
, nach dem er hauen konnte. Ich hatte mir Ljuba immer als heutige Ausgabe der Fenitschka in Turgenjews
Väter und Söhne
vorgestellt, der

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