Snack Daddys Abenteuerliche Reise
waren wir nun, zwei Menschen, er ein ganzer Kontinent aus Fleisch, sie höchstens Madagaskar, rutschten auf dem Leder herum, ließen unsere Sitze vor und zurück gleiten, falteten uns im Wagen zusammen, grunzend, seufzend und in Ostküstenenglisch miteinander flüsternd wie ein altes Ehepaar. Mir zumindest kam unsere Begegnung völlig unausweichlich vor.
Auswendig sagte ich mir die letzte E-Mail vor, die Rouenna mir geschickt hatte, bevor die Verbindung mit dem Internet abgeschaltet worden war:
Lieber Mischa, sorry dass es Gefährlich ist wo du bist und Leute sterben, aber 1. ging es in deiner Mail wieder mal nur um Dich, Dich, Dich (warum fragst du mich zur Abwechslung nicht mal wie es mir geht?) und 2. wann bist du denn mal NICHT an einem gefährlichen Ort wo Leute sterben? Egal, bestimmt wirst du mit deiner Zwankslage prima fertig, du überlebst ja einfach alles.
P.S. Du darfst wirklich Proffessor Shteynfarb nicht so hassen der dich nämlich echt gern mag und immer sehr lustige Sachen von dir erzählt.
P.S.S. Das hätte ich dir schon längst mal sagen sollen, ich finde, dein Psychoonkel ist ein totaler Idiot.
Mit anderen Worten, ich war bereit für eine neue Liebe. Ich war bereit, mich wieder in den Armen einer anderen sicher zu fühlen. Ich war bereit, meine Rouenna zu vergessen, wenigstens für eine Weile.
Nana und ich fuhren den Boulevard der Nationalen Einheit hinunter, besahen uns die Geschäftigkeit rundherum und warfen einander verstohlene Blicke zu. Auf dem Mittelstreifen der Durchfahrtsstraße stand ein halbes Dutzend offener KBR -Laster herum, deren geheimnisvoller Auftrag uns verborgen blieb.
»Ich dachte, die Verbindungsstraße zwischen den Plateaus sei unpassierbar«, sagte ich.
»Sie sind ein bedeutender Mann, Mr Vainberg«, sagte Nana und lächelte so breit, dass ich ihre mit Lippenstift beschmierten Schneidezähne sehen konnte, »und wir sind ein gastfreundliches Volk. Meine Mutter wird Ihre Mutter sein, und in meinem Brunnen gibt es viel Wasser für Sie.«
»Wenn Sie das sagen, Fräulein Nanabragovna«, antwortete ich. Aber als wir auf eine Straßensperre aus Jeeps und gepanzerten Truppentransportern zusteuerten, griff ich nach meiner Brieftasche, fett wie immer, und legte mir ein paar Hundertdollarnoten bereit, die sich rasch an bewaffnete Teenager verteilen ließen.
Die Soldaten hinter der Straßensperre hielten unter einer zwischen zwei Truppentransportern aufgespannten Zeltplane Siesta. Ich wartete darauf, dass meine Reiseführerin zwischen ihre Brüste langte und für die Soldaten ein Sevo-Kreuz herausziehen würde, eine Aussicht, bei der mir vor Aufregung ganz schwindlig wurde, aber stattdessen bediente Nana ihre laut schallende Navigatorhupe, bis unter der Zeltplane träge ein paar zerzauste Jugendliche hervorkamen.
Nana rollte ihr Fenster herunter und lehnte sich so weit hinaus wie möglich, was mir einen tiefen Blick auf das obere Ende ihrer Arschfalte und ihre eng an den karamellfarbenen Schenkeln anliegenden Jeans erlaubte. Auf dem Label stand MISS SIXTY , eine neue Marke, die sich in der Mittelschicht durchsetzen würde, da war ich ganz sicher.
»Jungs, lasst mich durch«, rief Nana auf Russisch, und das Wort »Jungs« klang ebenso kokett wie gebieterisch.
»Jawohl, Herrin!« Die Soldaten standen stramm und salutierten. Sie liefen zurück, bauten die Zeltplane ab, fuhren ihre Wagen zur Seite und trieben einander dabei fluchend zur Eile an.
Am Checkpoint »Svanï-Plateau« dieselben Ehrbezeigungen, dasselbe Zeremoniell. Laut wunderte ich mich, wie respektvoll die Svanï-Soldaten eine Sevo-Frau behandelten. »Weil wir unter der Fahne von American Express segeln«, sagte Nana, wobei ihre volle junge Stimme allerdings ungewöhnlich falsch klang. Sie wandte sich von mir ab, dann setzte sie ihre Sonnenbrille auf und fluchte, weil einer der Bügel sich in den Haaren auf ihren Armen verfing.
»Wir sind fast da«, sagte sie und versuchte, den Schmerz zu vergessen.
Unser Navigator stürzte sich die Serpentinenstraße hinab, und so gelangte ich an den Arsch der Welt.
23
Der Sevo-Vatikan
Während die Svanï ihre Identität am Fernbedienungsmarkt und ihrer Verbindung zu Alexandre Dumas festmachten, hatten die Sevo das Meer im Würgegriff. Grau und matt hielt es sich bereit, blitzte hinter den verfallenden Villen des Öladels hervor, der hier vor 100 Jahren abgestiegen war, als das Kaspische Meer sich zum ersten Mal als scheinbar nie versiegender Quell von Öl und
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