Snack Daddys Abenteuerliche Reise
Feindseligkeiten eingeführt hatte.
Anstatt nach einem Parkplatz zu suchen, ließ Nana ihren Wagen einfach an einer viel befahrenen Straßenkreuzung stehen. Ein älterer Polizist salutierte schneidig und eilte herbei, um davor Wache zu schieben. Er pfiff einen vorbeigehenden Soldaten hinzu, der sein Hemd auszog, es in einen nahen Brunnen tauchte und dann die sandbedeckte Windschutzscheibe des Navigators damit polierte. »Sie sind wohl sehr beliebt«, sagte ich zu meiner neuen Freundin, die nur mit den Achseln zuckte. Was war hier eigentlich los? Wenn doch nur Aljoscha-Bob auftauchen und mir alles auf seine pedantische Art erklären würde. Ohne ihn fühlte ich mich sehr verletzlich, der Welt ganz ausgeliefert.
Nana schritt voran und vermittelte mir die Eigenheiten der örtlichen Architektur, wie die Ölbarone sie im späten 19. Jahrhundert bevorzugt hatten. »Wirklich?«, sagte ich, als ich vor einem massiven neugotischen Steinhaufen den Namen des ursprünglichen Besitzers erfuhr. »Lord Rothschild hat das bauen lassen? Der Jude?«
»Leben in Belgien viele Juden, Mr Vainberg?«, fragte meine Reiseführerin.
»Ja, recht viele«, gab ich zurück. »Ich wohne in Brüssel, aber solltenSie mal nach Antwerpen kommen, werden Sie dort manchmal etwas Komisches sehen können – die einheimischen Chassidim in flatternden schwarzen Mänteln auf ihren Fahrrädern. Wir Belgier haben eine ganz offene Gesellschaft, wissen Sie?«
»Dann sind Sie also ein Ballone«, sagte sie.
Ihre Offenheit machte mir Magenschmerzen, auch die Vorstellung, eine so liebe Dame könnte ein Dickenhasser sein. »Ich esse gern«, gestand ich ein, »und so mag ich auf Sie tatsächlich wie ein Ballon wirken –«
»Nein!« Sie lachte. »Nicht Ballon. Ach, Sie Armer. Ein Wallone. Ein französischer Belgier.«
»Ah, oui«
, sagte ich.
»Un Wallon. C’est moi.«
»Parce que nous parlons français.«
»Äh, lieber nischt«, stotterte ich, denn diese komplizierte Sprache hatte ich nie lernen mögen. »Kein Französisch bitte. Ich versuche gerade, mein Englisch zu verbessern. Das ist ja leider doch die Weltsprache.«
Nana blieb stehen und gönnte mir einen schönen Blick auf ihren Leib und ihr glitzerndes Gesicht. Ein bisschen Aerobic, und man würde sie für eine großbusige Athletin halten; eine Schwimmerin zum Beispiel, ich hatte nämlich gehört, dass Schwimmerinnen auf den Auftrieb ihrer massigen Brüste angewiesen waren.
»Sie wissen vielleicht schon«, sagte Nana kokett, »dass die Juden seit langem in Frieden in unserem Land leben.«
»Soweit ich weiß«, sagte ich flirtend und so wenig moralinsauer wie möglich, »sind sie Ihre Brüder und
ihre
Feinde sind auch
Ihre
Feinde.«
»Warum sagen Sie ›sie‹?«, fragte Nana.
»Ich meinte ›wir‹«, gab ich zu.
»Das sieht man doch gleich, Monsieur Vainberg«, sagte Nana. »Auf dem College hatte ich eine jüdische Zimmergenossin.«
»Hier?«
»Nein, an der NYU .«
Ich muss völlig perplex ausgesehen haben, denn Nana glaubte, es mir genau erklären zu müssen. »New York University«, sagte sie.
»Ja«, hauchte ich. »Ja, natürlich. Kenne ich gut. Sie haben einen Abschluss von der NYU? «
»Im Herbst beginne ich das letzte Semester«, sagte sie.
Ich atmete schwer und hielt mich an meinem Wanst fest, meinem
Ballon
, wenn Sie so wollen. Sie drehte sich um und marschierte weiter. Ich lief ihrem Arsch hinterher; mir war ganz benommen und mulmig von der Aussicht, plötzlich New York so nah zu sein, der Stadt meiner Träume. So war das also! Eine Amerikanerin, eingesperrt im Körper einer Ausländerin. Das kannte ich. Vielleicht konnte ich sie im September nach New York begleiten (wenn der Krieg bis dahin vorbei war). Vielleicht würden die Generäle an der Spitze der US -Einwanderungsbehörde, Weise wie Noah, ja für
zwei
gierige und konsumgeile postsowjetische Bären eine Ausnahme machen.
Wir waren auf die Esplanade des Sevo-Plateaus gestoßen, die einen guten Kilometer weit auf die glänzende Krake namens Sevo-Vatikan zulief. Obwohl die Mittagspause an diesem normalen Arbeitstag noch nicht gekommen war, platzte die Promenade vor Trauben aus lustwandelnden Sevos, die Petroleumluft atmeten und nostalgisch die alte sowjetische Liebe zum »Meer« wiederaufleben ließen, das hier aus grau an die Stelzen der Ölbohrtürme schwappendem Brackwasser bestand.
Die Promenade schien ganz auf die Bedürfnisse der geschlechtsreifen Bevölkerungsmehrheit aus 15- bis 29-Jährigen ausgerichtet, aber auch
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