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Snack Daddys Abenteuerliche Reise

Snack Daddys Abenteuerliche Reise

Titel: Snack Daddys Abenteuerliche Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Shteyngart
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seltsamen Anstrich und der Sevo-Krake und der schmuddeligen Esplanade und dem türkischen Autoskooter und ließ alles echt und lieblich und wahr wirken. »Es gibt da ein neues Fischrestaurant«, sagte sie.
    »An der Tenth Avenue«, sagte ich.
    »Bei diesem –«
    »– neuen Designerhotel –«
    »– das sie bauen wollen.«
    »Mit den Bullaugen –«
    »– neben dem belgischen Restaurant.«
    »Das Einzige, was man nicht kriegt –«
    »– in New York?«
    »Genau –«
    »– ist gute Paella.«
    »Da braucht man eine Riesenpfanne.«
    »Die Tapas-Bar –«
    »– an der Crosby –«
    »– mit den Sherrys.«
    »Die
boquerones
–«
    »– die Oliven.«
    »Steht im Zagat –«
    »– 23 Punkte für das Essen.«
    »Hatte mal ein Rendezvous –«
    »– da?«
    »Hat doch jeder.«
    »Sogar du?«
    »Ich?«
    »Fände ich gut.«
    »Zum Beispiel jetzt.«
    »Zum Beispiel, wenn wir –«
    »Das wäre toll.«
    Ich hob meine Ellenbogen auf die fischfleckige Tischplatte, legte verstohlen meinen Kopf in die Armbeuge und ließ all meine Traurigkeit heraus. Ich spürte Nanas Hand auf meinem weichen gewellten Haar; langsam und methodisch streichelte sie es. Sosehr die Kellner auch kicherten, ruhig und trockenen Auges machte sie weiter, eine professionelle Reiseführerin, die ihren Schutzbefohlenen tröstete, nachdem man ihm Brieftasche und Pass geklaut hatte. »Es tut mir Leid«, sagte ich.
    »Da nicht für«, sagte sie, vielleicht nicht in ihrem besten Englisch, aber ich wusste, was sie meinte.
    »Ich bin betrunken«, sagte ich, was nur ein Teil der Wahrheit war.
    Sie zahlte, und langsam spazierten wir im Zickzack über die Mole zurück zur Esplanade, endlich Hand in Hand. Auf der Mole stand eine DORSCH -Reklametafel, ein an die Ära des Kommunismus erinnerndes Tableau aus drei Einheimischen mittleren Alters unter einer mit einem Ausrufezeichen versehenen Parole in der Landessprache. Die drei Männer hatten graue Säcke unter den Augen und erinnerten mich an eine Schildkrötenparade auf dem Weg zum Meer. Einer von ihnen sah wie ein müder Intellektueller aus. Bei ihm und einem der anderen stachen die schlecht gemachten Silberzähne hervor, beim dritten der große feminine Mund und der wagemutige Gesichtsausdruck eines jungen Mannes. Unter ihnen dröhnte fünf Jahre alte Technomusik aus einem krachenden Lautsprecher, unterbrochen von kurzen Ausbrüchenvon Sevo-Propaganda. »Was steht da?«, fragte ich und zeigte auf das Plakat.
    »›Die Unabhängigkeit des Volkes ist bald Wirklichkeit!‹«
    »Der komische Typ mit der Girlieschnute gefällt mir«, sagte ich. »Sieht aus wie ein Sänger aus Odessa. Wahrscheinlich der Nachwuchsdiktator des Trios. ›Hasst mich nicht. Ich bin nicht Stalin. Ich übe noch!‹«
    »Das ist mein Vater«, sagte Nana.
    Zuerst drang ihr Satz nicht zu mir durch; wie üblich war ich ganz mit mir selbst beschäftigt. »Oh«, sagte ich schließlich. Ich hielt inne und studierte meine Hände, auf denen die hervorstehenden grünen Venen so verzweifelt versuchten, Blut in meine Finger zu transportieren.
    »Ich muss dir etwas sagen, Mischa«, setzte Nana auf Russisch an und zerstörte den letzten Rest meiner belgischen Identität. »Mein Papa hat deinen Papa gut gekannt. Sie haben zusammen Geschäfte gemacht. Er war ein sehr lieber Mann. Wenn er nach Svanïstadt gekommen ist, zu uns nach Hause, hat er mir immer Zuckerwürfel und Mandarinen mitgebracht. Als wenn es noch Versorgungsengpässe gegeben hätte wie zu Sowjetzeiten. Als würde ich mich nach Vitaminen und Süßigkeiten verzehren.«
    »Oh«, wiederholte ich auf Englisch.
    Ich schloss die Augen und versuchte, an Papa zu denken, aber was sich nun abspielte, übertrumpfte meine Erinnerungen. Der Geruch nach reifen grünen Papayas unter dem Parfüm, der federleichte und doch bestimmte Druck von Armen auf meine Lendenschwarten, der sanfte Kuss daunenweicher Lippen auf meiner Stirn. Unter dem Bild ihres Vaters, der die Passanten zu gewalttätigem Widerstand aufrief, schloss meine Nana mich in ihre Arme.

26
    Essen, Ausstattung, Bedienung
     
    Die folgende Woche verbrachte ich im Zustand höchster Verliebtheit – in sie, in die ferne amerikanische Stadt, die uns beiden vertraut war, und in mich selbst, weil ich mich so schnell von dem posttraumatischen Stress nach dem Mord an Trotl und Aljoscha-Bobs Flucht erholt hatte. Wir schliefen praktisch noch an unserem ersten Tag miteinander; ein paar anzügliche Posen vor einer gemeinsam geleerten Flasche Flagman-Wodka in

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