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Snapshot

Snapshot

Titel: Snapshot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Robertson
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hinter der Wand neben ihm. Auf einmal wich die Mauer zu seiner Linken zurück. Vor ihm lag eine geräumige Nische, in der die Überreste eines Generators, ein paar Styroporwürfel und einige Bretter standen. Zumindest hätte er darauf getippt, dass das mal ein Generator gewesen war. Vielleicht war das hier eine Art Lagerraum? Nachdem er den Lichtkegel der Taschenlampe von der einen in die andere Ecke geschwenkt hatte, ging er weiter. Jeder Schritt hallte durch den gesamten Gang. Er bemühte sich, möglichst wenig Lärm zu machen. Wenn sich hier unten tatsächlich jemand versteckte, wollte er sein Kommen nicht früher als unbedingt nötig ankündigen.
    Der abgestandene Geruch der feinen Staubschicht am Boden und an den Wänden und die allgegenwärtige Feuchtigkeit ergaben ein unangenehmes Gemisch. Winters Nase kribbelte, seine Nackenhaare sträubten sich. Sein sgriob meldete sich allerdings nicht– er spürte nichts als Angst und Unsicherheit. Noch eine Tür, noch eine Treppe. Es wurde immer kälter und feuchter. An einer Abzweigung entschied er sich, immer der Nase nach zu gehen, vorbei an niedrigen Ziegelmauern, die nur einen halben Meter hoch waren, wahrscheinlich alten Halterungen für Heizkessel. In manchen Wänden spukten die Geister längst verschwundener Türen, dahinter erhoben sich die Bogen alter Kellergewölbe, oder was Winter dafür hielt. Viel tiefer reichte das Tunnelsystem bestimmt nicht mehr.
    Winter spürte unebenen Boden unter den Füßen. Er musste aufpassen, wo er hintrat. Als er den Lichtkegel nach unten richtete, sah er, dass die gleichmäßige Staubschicht verwischt war. Er ging in die Knie. Ja, das waren Fußspuren, er war sich ziemlich sicher. Fragte sich nur, wie alt sie waren. Tage, Monate? Er kaute auf der Unterlippe herum und spähte in die Dunkelheit. Plötzlich fiel ihm auf, dass er keine Ahnung hatte, wie lang er schon hier unten war. Vielleicht eine Viertelstunde? Noch dazu hatte er nur eine ungefähre Vorstellung vom Weg zurück an die Oberfläche. Am Ende des Korridors musste er sich wieder zwischen links und rechts entscheiden. Zum Glück war relativ klar zu erkennen, dass die Spuren auf dem Boden nur in einer Richtung verliefen. Also da entlang.
    Nun lief er nicht mehr durch enge Krankenhausgänge, sondern durch weite, scheinbar endlose Räume. Winter hielt sich dicht an der Wand, um nicht vom Weg abzukommen. Irgendetwas blitzte im Licht der Taschenlampe. Er kniff die Augen zusammen, bückte sich und hob es auf: eine leere Zwei-Liter-Flasche Cola light, anscheinend ziemlich neu. Auf allem anderen lagen etwa hundert Jahre Staub, der Staub der langen Jahre, seit sich der letzte Putztrupp in die Tiefe gewagt hatte. Er drehte die Flasche in den Händen, bis er das Verfallsdatum gefunden hatte: Januar 2012. Die Flasche war noch nicht lange hier unten. Hey, war er nicht ein kleiner Meisterdetektiv?
    Damit wusste er, dass er mit ziemlicher Sicherheit auf dem richtigen Weg war. Er warf die Kunststoffflasche ein paar Meter weit durch die Dunkelheit und bereute es sofort, als sie mit ohrenbetäubendem Gepolter vom Boden abprallte. Doch bevor der Lärm im Gewölbe verhallt war, stimmte ein anderes Geräusch ein, das ihn schon bald übertönte. Das Geklapper ging nahtlos in ein rasant anschwellendes Quieken über, in ein Quietschen, das sich rasch zu einem schrillen Kreischen steigerte. Es kam von einer geschlossenen Tür zu seiner Linken. Und im nächsten Moment sah er sie: Ratten.
    Die Ratten schossen aus dem Türspalt und direkt auf ihn zu. Sie waren wütend, panisch, auf der Flucht. Scheiße, das war ja eine ganze Armee! Und sie waren riesig, groß wie sehr große Welpen oder sehr kleine Hunde, aber tausendmal bissiger und schneller.
    Winter erstarrte. Sein Herz wusste nicht, ob es sich überschlagen oder aussetzen sollte, jedes einzelne Haar an seinem Körper stellte sich auf. Vor Ratten hatte er eine Heidenangst, und jetzt kreuzte ein ganzer Trupp seinen Weg wie eine in Panik geratene Rinderherde. Sie schossen durch seine Beine hindurch und über seine Füße hinweg.
    Er konnte nicht atmen, er konnte keinen Finger rühren, er konnte nur stocksteif dastehen und zusehen. Einen Sekundenbruchteil später waren sie verschwunden, und nur ihr fernes Quieken und Kreischen erinnerte noch daran, dass sie ihm hier unten aufgelauert hatten. Trotzdem rührte er sich nicht, sondern lauschte seinem viel zu lauten Atem. Er zitterte am ganzen Leib. Jetzt musste er erst mal sein hämmerndes Herz unter

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