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Snapshot

Snapshot

Titel: Snapshot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Robertson
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letzte Chief Constable so etwas wie gesunden Menschenverstand bewiesen– er hatte eingesehen, dass Winters Arbeit ihr Geld wert war, und ihn daher nicht mit den anderen Knipsern an die Luft gesetzt. Dabei war Winter zugutegekommen, dass Sir Ed Walker selbst ein Fotofreak war, der die subtilen Auswirkungen von Gradation und hyperfokaler Entfernung zu würdigen wusste. Okay, es hatte auch nicht geschadet, dass Winter ein erstklassiges Porträtfoto des Chiefs geschossen hatte, das offizielle Bild, das schließlich im Empfangszimmer der Pitt Street landete, und ein kostenloses Familienfoto mit Frau und Kindern obendrauf gepackt hatte. So war es gekommen, dass der natürliche Schwund und das mörderische Wüten der Personalabteilung fast alle seine Kollegen dahingerafft hatten, aber ihn nicht. Ein Spezialist sollte für den Fall des Falles an Bord bleiben, hatte Walker angeordnet. Winter war die Kakerlake, die den nuklearen Holocaust überlebt hatte.
    Seine Sonderstellung machte ihn unter den Kollegen nicht gerade beliebt, aber das juckte ihn kaum, genauso wenig wie Two Soups’ endlose Leier, die Vorgehensweise im Department müsse endlich standardisiert werden. Seine Arbeit sprach für sich, und daran konnte nicht mal Campbell Baxter etwas ändern. Zumal auch der neue Chief, Grant Gordon, nichts gegen den Status quo einzuwenden hatte.
    Der andere waschechte Fotograf, dem es gelungen war zu überleben, hieß Barrie Marshall und war für Argyll, Bute und West Dunbartonshire zuständig, also für den Rand der Zivilisation, die Inseln und das südliche Highlandergebiet. Er war schon so lange dabei, dass ihn die Personalabteilung offenbar komplett vergessen hatte, weshalb auch er der großen Rationalisierungsoffensive entkommen war. So konnte er seine restlichen Tage damit verbringen, geplünderte Vogelnester und ausgeraubte Schnapsbrennereien abzulichten, und damit schien er zufrieden zu sein. Winter hätte es nicht gereicht. Er wollte mehr.
    Sammy Ross reichte ihm auch nicht. Fünfundvierzig sterbenslangweilige Minuten hatte er damit zugebracht, jedes Fitzelchen Information über den neuesten Neuzugang einzugeben. Zweiundzwanzig Fotografien aus zweiundzwanzig verschiedenen Winkeln und Entfernungen, jede Hautfalte, jeder Riss, jede Schwellung, die Eintrittswunde, die Austrittswunde, der Gesichtsausdruck. Alles ziemlich banal.
    Das heißt, der Gesichtsausdruck, in diesem Fall die Enttäuschung auf Sammys Gesicht, war doch ganz interessant. Wie es immer interessant war, diesen Blick in die Unendlichkeit aufzufangen. Früher dachten die Leute, in den Augen eines Ermordeten wäre ein Widerschein des Mörders zu erkennen. Ziemlicher Schwachsinn natürlich, aber war es nicht auch schwachsinnig, zu glauben, man könnte den Tod durch eine Linse sichtbar machen? Und daran glaubte Winter. Er hatte schon vielen Toten in die Augen geschaut und dabei immer in denselben trüben schwarzen Abgrund gestarrt, ob bei Sammy oder einem der unzähligen anderen Opfer der Stadt. Immer derselbe Schwarzton.
    Das Telefon erlöste ihn von seinen Qualen. Winter ertappte sich dabei, wie er auf ein bisschen Mord und Totschlag, auf eine kleine Katastrophe hoffte. Vielleicht eine hübsche Schießerei? Egal was, er wollte alles für sich allein.
    Zwei Minuten später lag der Hörer wieder auf der Gabel, und Winter fuhr seinen Computer herunter. Den Jackpot hatte er nicht geknackt, aber wenigstens kam er hier raus: Ein Siebzehnjähriger war mit einem Baseballschläger verprügelt worden, die Angreifer hatten ihm unter anderem ein Knie zertrümmert. Jetzt lag der Junge in der Royal, und gleich würden die Cops die üblichen Fragen stellen.
    Die Glasgow Royal Infirmary befand sich auf der anderen Seite des Stadtzentrums, gut eineinhalb Kilometer entfernt. Zu Fuß hätte Winter zwanzig Minuten gebraucht, im Auto neunzehn. Er entschied sich für Letzteres. Zum Laufen war es viel zu kalt.
    Die Royal war so etwas wie das prototypische Glasgower Krankenhaus: ein zweihundert Jahre alter Irrgarten, sündhaft teuer im Unterhalt, quasi keine Parkplätze, zu wenig Angestellte, zu wenig Geld, dabei ständig überbelegt und seit jeher im Fadenkreuz der städtischen Erbsenzähler. Sie hatte sich am nordöstlichen Rand der Innenstadt breitgemacht, neben der Kathedrale und der Necropolis, als der durchgeknallte Georg III . auf dem Thron gesessen hatte und Glasgow die zweite Stadt im Empire gewesen war. Etwa zur selben Zeit hatte man ihr zum letzten Mal einen frischen

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