Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Snapshot

Snapshot

Titel: Snapshot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Robertson
Vom Netzwerk:
gebrochen.
    Winter sah sich in der Kammer um. Bis auf die Tatsache, dass ein weiterer Gefangener dazugekommen war, hatte sich seit seinem letzten Besuch nicht viel verändert. Der Pappkarton mit den Überresten der SBS -Überlebensrationen war noch da, die vier Munitionsschachteln auch. Und auch das Notizbuch und die Fotografien, die ihn hierher, zu Monteith, geführt hatten. Im Rückblick war das keine ganz so clevere Idee gewesen.
    Er lag da und lauschte in die Stille. Das Tröpfeln kam von hinter der Tür, links von ihm, knapp zwanzig Meter entfernt. Hoch über seinem Kopf war Glasgow zweifellos noch immer auf den Beinen, aber davon war hier unten nichts zu hören. Er wusste nicht, wie spät es war, doch der letzte Nachtzug war sicher schon durch, und der Lärm der Autos schaffte es nicht so weit in die Tiefe.
    Abgesehen vom Wasser und seinem eigenen Herzschlag war da nur die lauernde Dunkelheit.
    Sein Handy lag einen knappen Meter neben ihm, aber damit war nichts mehr anzufangen. Am anderen Ende des zerstampften Stücks Technik warteten Danny und Rachel, die sich vielleicht schon fragten, wo er abgeblieben war. Oder auch nicht. Warum hatte er nicht auf die beiden gehört?
    Plötzlich war da ein Geräusch. Seine Ohren zuckten. Ein Kratzen. Ein vielfaches Scharren. Und wieder Stille. Vielleicht nur der Wind? Hier unten gab es Wasser, also warum nicht auch Wind? Da kehrte das Kratzen zurück. Diesmal war es näher, lauter und ausdauernder. Das Licht der Petroleumlampen reichte bis zum Türspalt und ein Stück unter der Tür hindurch, und genau dort, in der Dunkelheit, näherte sich ein Schatten. Wahrscheinlich wurden sie vom Gestank des Erbrochenen angelockt oder von McKendrick, mit dem sie wohl noch nicht fertig waren. Oder von Winter selbst.
    Vielleicht war es kein Rudel, sondern eine einzige Riesenratte, denn der Schatten huschte umher und fiepte wie ein einziges Lebewesen. Nach und nach wich das Kratzen der Krallen einem fieberhaften Geplapper, einem vielstimmigen Quieken, das bis hinauf zur Decke hallte. Als wären die Angreifer zu dem Schluss gekommen, dass sie sich weitere Täuschungsmanöver sparen konnten. Und jetzt beratschlagten sie darüber, wie sie den Raum erstürmen sollten.
    Winter atmete immer schneller und flacher. Das, dachte er, ist richtige Panik. Er hatte gesehen, wie sie McKendrick zugerichtet hatten, und jetzt würde es ihm wahrscheinlich genauso ergehen. Ryan hatte sich natürlich nicht mehr wehren können, aber mit gefesselten Händen und Füßen war Winter auch nicht viel besser dran.
    Sie näherten sich. Sie wurden lauter. Inzwischen sah er keine Schatten mehr, sondern Schwänze und Krallen und ab und zu eine neugierige Schnauze, die sich unter dem Spalt hindurchschob und sofort wieder verschwand.
    Aber nicht mit ihm.
    Winter brüllte los. Er warf den Kopf zurück und brüllte aus Leibeskräften. Er verfluchte und beschimpfte sie. Wahrscheinlich lief er knallrot an, während er seine Schimpfkanonade losließ, aber er musste absolut sichergehen, dass die Ratten kapierten, was er ihnen zu sagen hatte. Und dazu musste er nicht nur laut sein, dazu mussten sie seinen ganzen Zorn spüren, mussten begreifen, welche Gefahr auf der anderen Seite der Tür lauerte.
    Anscheinend funktionierte es. Kaum hatte er so richtig losgelegt, fuhren die Viecher mit einem letzten Quieken herum und verschwanden von der Tür.
    Er brüllte wie ein Wahnsinniger, er brüllte, bis er keine Luft mehr bekam. Dann sank sein Kinn auf die Brust, und er japste wie ein tollwütiger Hund. Er hatte keine Ahnung, wie lange er so dalag, völlig fertig und verängstigt und ohne auch nur eine ungefähre Vorstellung davon zu haben, wie er hierhergeraten war und wie er hier jemals wieder rauskommen sollte.
    Hin und wieder hob er den Kopf, um nach dem Türspalt zu sehen, aber die Ratten ließen sich nicht blicken. Wahrscheinlich schmiedeten sie gerade neue Pläne. Er verhielt sich ruhig und versuchte, seine Lage zu überdenken.
    Er sah zu den Petroleumlampen. Die eine brannte deutlich heller als die andere. Ging der einen bereits der Brennstoff aus? Oder bildete er sich das nur ein? Er beobachtete die Flammen aufmerksam und versuchte sich auszurechnen, wie viel Zeit ihm noch blieb.
    Dabei hatte er sowieso jedes Zeitgefühl verloren. Von seiner Uhr und seinem Handy waren nur noch Einzelteile übrig, und der Himmel war weit, weit weg. Er konnte nicht wissen, ob die Zeit schlich oder wie im Flug verging. Seit Monteith verschwunden war,

Weitere Kostenlose Bücher