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Snapshot

Snapshot

Titel: Snapshot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Robertson
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klar ist: Könnte der Honigdachs sprechen, hätte er einen Glasgower Akzent. Er ist eigentlich viel zu klein, um sich mit großen Tieren anzulegen, aber er ist darauf programmiert, es trotzdem immer wieder zu versuchen. Weil er in seinem grenzenlosen Mut oder in seiner grenzenlosen Dummheit nicht einsieht, dass man auch mal den Rückzug antreten muss.«
    Winter lachte– und sah seinem Kumpel sofort an, dass das die falsche Reaktion war.
    » Ich meine das todernst, Tony. Todernst. In dieser beschissenen Stadt geht jeden Tag irgendein kleiner Scheißer drauf, weil er zur falschen Zeit am falschen Ort und vor allem mit der völlig falschen Einstellung geboren wurde. Und damit wir uns richtig verstehen: Jeder Einzelne von denen, jeder Einzelne von uns, wird mit der falschen Einstellung geboren. Wenn nicht, wirst du windelweich geprügelt, und dabei prügeln sie die richtige Einstellung gleich noch in dich rein. Das alte Problem, Huhn oder Ei. Erst hauen sie dir die Peitsche um die Ohren, und wenn das nicht reicht, ziehen sie dir das Zuckerbrot auch noch über den Schädel. Oder sie erdrosseln dich gleich mit der Peitsche. Wie auch immer. Entweder du lernst, auf eigenen Füßen zu stehen, oder du landest unsanft auf dem Arsch und verblutest in irgendeiner Gasse. So läuft das hier in unserer schönen Stadt. Entweder du fickst sie oder sie ficken dich. Und wer nur ein bisschen hinterherhinkt, wird ganz schnell zum Opfer.« Addison holte Luft. » Deswegen wimmelt es da draußen von kleinen Kindern, die davon träumen, mal Gangster zu werden. Deshalb quellen unsere Friedhöfe über. Weil das ganze Teeniepack nichts im Kopf hat, aber scheißmutig ist, oder was die für mutig halten. Weil keiner von denen einsehen will, dass sie nur eine Chance haben– zu lernen, auch mal wegzulaufen. Das erfordert nämlich viel mehr Mut. Stehen bleiben und kämpfen, weil man nicht als Feigling verarscht werden will, das kann jeder. Nur die, die den Mut haben, auch mal Angst zu haben, haben vielleicht noch eine Chance, sich auch nächsten Monat ihre Stütze abzuholen. Alle anderen enden in der Statistik. Genau da, wo auch der kleine Wichser landen wird, der uns eben den Abend versaut hat. In spätestens fünf Jahren schaut der sich die Radieschen von unten an. Verlass dich drauf.«
    Addison leerte den letzten Highland Park und schloss die Augen, als würde er sich mit aller Macht auf das Brennen in seiner Kehle konzentrieren. Als er die Augen wieder öffnete und Winter anblickte, war seine verbissene Grimasse einem Grinsen gewichen.
    » Okay, für heute hast du genug von meiner Weisheit profitiert. Und ich hab genug getrunken. Ich mach mich vom Acker.« Ohne Winters Antwort abzuwarten, torkelte er vom Hocker zur Tür.
    » Aber morgen redest du mit Shirley, okay?«, rie f W inter ihm hinterher. » Wegen des Falls?«
    » Ach, das. Sorry, aber nach deiner Aktion von der Central Station kannst du das vergessen. Tut mir leid.«
    Winter sprang vom Hocker und fing die Tür auf, ehe sie hinter Addison ins Schloss fallen konnte. » Was soll das, Addy? Du hast es mir versprochen. Du weißt doch, wie wichtig das für mich ist.«
    Der DI wollte sich immer noch nicht umdrehen, doch als er Richtung Sauchiehall Street abzog, rief er etwas über die Schulter. » Wie oft denn noch, Kleiner? Das macht echt keinen Spaß mehr, wenn du immer auf alles reinfällst. Du weißt doch, auf Onkel Addy ist Verlass. Wir reden morgen weiter.«
    Kurz darauf wurde er von der dunklen Elmbank Street verschluckt, wahrscheinlich auf der Suche nach einem Taxi. Doch sein Lachen klang Winter noch lange in den Ohren.

12
    Donnerstag, 15. September
    Alex Shirleys Büro im Divisionshauptquartier in der Stewart Street passte zu seinem Bewohner: Alles war schmucklos und zweckmäßig. Der schlichte, robuste Teppichboden hatte selbst den Tausenden Polizistenstiefeln standgehalten, die über die Jahre zu dem Schreibtisch aus massiver Eiche marschiert waren. Im ganzen Raum fand sich praktisch keine Dekoration– an der Wand hing eine einzige gerahmte Urkunde, und neben dem Computer stand ein Foto von Frau und Kindern.
    Vor dem Tisch saß momentan DI Addison. Interessiert studierte er das Familienfoto und sagte sich mal wieder, dass Mrs. Shirley gar nicht mal so schlecht aussah. Früher, ungefähr zehn Kilo früher, dürfte sie sogar mal ziemlich heiß gewesen sein. Alex Shirley selbst war eine gepflegte Erscheinung, nicht ganz eins achtzig, aber dafür breit und kräftig gebaut und

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