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Snapshot

Snapshot

Titel: Snapshot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Robertson
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Bei all dem konnte Winter nicht mitreden. Er war nur der Bedienstete, der mitfahren durfte, und das fand er nicht weiter schlimm. Hauptsache, er war mit von der Partie.
    Währenddessen raste Addison den M8 hinunter zur » Heart of Scotland«-Raststätte, das Gaspedal bis zum Anschlag durchgedrückt. Sein Audi hatte kein Blaulicht und brauchte auch keins, denn er überholte einfach jeden, der ihm zu langsam fuhr. Die ganze Fahrt über spürte Winter das Kribbeln des sgriob. Er konnte nur noch an die Männer mit dem Loch im Hinterkopf denken. Als er die Augen schloss und das Gerede der anderen ausblendete, sah er das Blut bereits vor sich, roch es, schmeckte es fast schon. Was wohl von ihren Schädeln übrig war? Wie viel Blut, wie viel Hirn sich wohl auf dem Asphalt verteilt hatte? Scharf stellen, aufs Umgebungslicht achten, die Blende anpassen, die Tiefenschärfe kontrollieren, scharf stellen, scharf stellen, scharf stellen…
    Erst als er spürte, wie Addison auf die Bremsen stieg und der Wagen abrupt zum Stillstand kam, öffnete er die Augen. Auf dem Gelände der Raststätte wimmelte es von Cops, überall hielt das Blau der Strathclyde Police die Schaulustigen in Schach. Addison hatte ein Stück abseits vom eigentlichen Tatort geparkt, um keine Spuren zu kontaminieren. Gemeinsam gingen sie zu einem Trupp Uniformen, der sich um die Hauptattraktion postiert hatte.
    Obwohl ihm Shirley und drei andere Männer die Sicht nahmen, erhaschte Winter einen Blick auf den daliegenden Körper, auf eine blaue Jeans, ein weißes Shirt, eine Navy-Jacke mit ausgebreiteten Armen in einem Gehege aus Absperrband. Keine zwanzig Meter weiter hatte sich ein weiteres Häuflein Uniformblau um zwei weitere dunkle Flecken versammelt. Während sich Addison und Co. auf den Weg machten, wurden einige Beamte quer über den Parkplatz geschickt, um jeden Zentimeter der Strecke abzugrasen, die die Opfer mutmaßlich gerannt waren. Winters Nasenflügel zuckten, seine Kehle war ausgetrocknet. Es ging los.
    Shirley winkte ihn in die erste Reihe. Der Bedienstete durfte mit zur Party und als Erster ans Büfett. Winter wusste, was die anderen dachten: Je früher er tat, was getan werden musste, desto früher konnten sie mit der eigentlichen Arbeit loslegen. Aber er wusste auch, worum es wirklich ging, und das befand sich einen knappen Meter vor ihm auf dem Boden. Er leckte sich die Lippen und wischte sich dabei vorsichtshalber über den Mund. Hoffentlich hatte es keiner mitbekommen. Als er sich der Leiche näherte, bemerkte er Two Soups’ grollenden Blick. Wenn Blicke töten könnten, würden jetzt vier Leichen auf dem Asphalt liegen. Mit jedem Schritt, den er ging, wuchs Baxters Hass. Und wenn schon, dachte Winter.
    Zuerst holte er die Kugelkamera heraus, um eine Dreihundertsechzig-Grad-Aufnahme für den 3D-Tatort zu machen. 3D-Tatortewaren vor ein paar Jahren von Forensikmenschen in Aberdeen entwickelt worden und wurden seitdem auch in Glasgow eingesetzt. Später im Büro konnte er damit einen virtuellen Tatort erstellen, den die Kollegen mit Audioaufnahmen von Zeugenaussagen, Bildern von Überwachungskameras und allem anderen anreichern konnten, was sich irgendwie als nützlich erweisen könnte. Als er mit dem Rundumblick fertig war, zog er seine eigene Kamera aus der Tasche.
    Am ersten Opfer sah er marineblaue Stiefel aus gebürstetem Leder mit guten, dicken Sohlen, geeignet für weite Strecken. Eine dunkle Jeans. Die Knie des Mannes waren durch den Aufprall seltsam abgewinkelt. Und ein weißes Baumwollhemd, immer eine gute Wahl, wenn man sich in den Kopf schießen und danach ablichten lassen wollte.
    Blut ist nicht rot. Jedenfalls nicht bloß irgendwie rot. Blut ist karneolrot oder zinnoberrot, feuerwehrrot oder venezianischrot, persischrot oder scharlachrot. Je nach Sauerstoff- und Kohlenstoffdioxidgehalt kann es sämtliche Töne zwischen Alizarin und Karmin annehmen. Frisches Blut ist purpurrot, die Farbe der Macht und der Gefahr, ein helles Glitzern voller Leben, vollgepumpt mit Sauerstoff. Doch lässt man es ein wenig köcheln, kann man zusehen, wie es sich nach einem Abstecher ins Signalrot und Klatschmohnrot in Rosso Corsa verwandelt.
    Die Farbe des Bluts faszinierte Winter noch wie am ersten Tag. Man wusste nie, was einen erwartete. War das Hämoglobin noch stark mit Sauerstoff angereichert, zeigte es sich von seiner munteren Seite: das Rot eines kandierten Apfels, der roten Rose, Amarantrot. Ganz anders das trübe, teilnahmslose, sterbende

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