Snapshot
Auffahrt des M8 Richtung Glasgow entlangrollte.
14
Kaum hatte Shirley den Befehl gegeben, sprangen acht Beamte auf, stießen ihren Stuhl zurück und zogen ihre Jacke über, um möglichst schnell rauszukommen. Winter spürte die giftigen Blicke der Cops, die im Revier festsaßen, während er mit zum Tatort durfte. Auch Rachel bedachte ihn mit einem wütenden Starren, das durchaus nicht scherzhaft gemeint war. Er reagierte mit einem Schulterzucken, das hoffentlich rüberbrachte, dass er nichts dafür konnte und sich nichts vorzuwerfen hatte. Sie starrte ihn nur umso wütender an, weil er hier in aller Öffentlichkeit mit ihr kommunizierte, und ihm war klar, dass sie sich mit Liebesentzug rächen würde. Und wenn schon, dachte er. Wenn er sich denn entscheiden musste, würde er sich jederzeit für das entscheiden, was ihn in Harthill erwartete. Ja, vielleicht war das verrückt.
Er schnappte sich seine Kameratasche. Ihr vertrautes Gewicht beruhigte ihn– er wusste, dass er alles hatte, was er brauchte. Die Tasche hängte er sich über die eine Schulter, die Ausrüstung für die Tatortdokumentation über die andere: verschiedene nummerierte Marker für Fotografien; graue, weiße, schwarze und transparente Maßstäbe; Winkelmaßstäbe; Kunststoff- und Stahlmaßbänder. Danach eilte er dem kleinen Trupp hinterher, der durch die Flure der Stewart Street zum Parkplatz marschierte.
Auf dem Parkplatz teilten sich die Cops in zwei Gruppen, die von Shirley und Addison angeführt wurden. Addison winkte ihn zu seinem Audi A5 und forderte ihn mit einem Nicken auf, hinten Platz zu nehmen. Winter hatte ihn mal gefragt, wozu er so eine schicke Karre brauche. Addison hatte bloß an seinem teuren Anzug hinabgeschaut und selbstzufrieden die Hände gehoben, wie um zu sagen: Wer, wenn nicht ich?
Zwei weitere Detectives gesellten sich zu ihnen: Colin Monteith setzte sich auf den Beifahrersitz, eine Blondine mit düsterer Ausstrahlung neben ihn auf die Rückbank. Winter hatte kaum die Tür geschlossen, als Addison schon aufs Gaspedal stieg. Hastig fummelte er am Gurt herum, während es ihn nach hinten in die Lehne drückte.
» Colin und Tony«, sagte Addison, » ihr beide kennt euch ja schon. DS Jan McConachie, das ist Tony Winter. Er fotografiert Leichen.«
Die Blondine warf ihm einen gelangweilten Blick zu und drehte sich wieder zum Fenster. Winter hatte keine Ahnung, was sie dort so spannend fand.
» Okay, fassen wir zusammen«, fuhr Addison fort, während er im zweiten Gang aus dem Tor rauschte und die Glenmavis Street Richtung Motorway hinunterbretterte. » Drei Tote in Harthill, zwei davon vorher verprügelt und dann aus einiger Entfernung von hinten in den Kopf geschossen, der dritte ins Gesicht geschossen. Die Verbindung zu Quinn und Caldwell liegt auf der Hand. Die Leute an der Raststätte haben den Kollegen von der Streife erzählt, dass zwei der Opfer vorher über den Parkplatz gerannt oder eher gestolpert sind. Anscheinend wollten sie zur Tankstelle.«
» Und wir haben natürlich keine Ahnung, um wen es sich handelt?«, fragte McConachie.
» Nein. Die Kollegen können sie nicht anrühren, bis wir da sind und Tony seine Fotos gemacht hat. Aber wenn er fertig ist, schauen wir uns mal in ihren Taschen um. Die Überwachungskameras werden bereits überprüft. Vielleicht haben die Kollegen schon was für uns, wenn wir da sind.«
» Aber wovor sind sie weggerannt? Oder wohin?«, sagte Monteith. » Sie sind gestolpert? Also waren sie besoffen? Oder verletzt?«
» Letzteres«, meinte Addison. » Ein Zeuge glaubt, sie sind vom anderen Ende der Raststätte gekommen, da, wo man vom Motorway abfährt. Und er hat gesagt, sie wären schon vorher ziemlich blutig gewesen. Er dachte sogar, sie wären überfahren worden.«
Niemand hatte einen Unfall gemeldet. In der weiteren Umgebung des Tatorts war man über keine herrenlosen Fahrzeuge gestolpert. Die Beschreibungen der Opfer kamen niemandem bekannt vor. Drogenbosse der Kategorie Caldwell oder Quinn wären sofort identifiziert worden. Das Labor würde überprüfen, ob die Kugeln wieder von derselben L115A3 abgefeuert worden waren, aber das dauerte natürlich, und im Grunde zweifelte sowieso niemand daran. Jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt, plötzlich an Zufälle zu glauben.
Die Cops kauten verschiedene Theorien durch. Addison war sich sicher, dass die Toten zumindest einigermaßen prominente Dealer gewesen waren, Monteith hoffte, dass er recht hatte, McConachie sagte kaum was.
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